Buckau erfährt im Schatten des Stadtzentrums viel Rückenwind. In letzten Jahren hat es sich zu einem der dynamischsten Stadtviertel entwickelt – auch dank diverser Förderprogramme. Die Entwicklungen, gerade städtebaulich, kann man dabei in gute und schlechte Richtung deuten. Doch neben den langjährigen Szeneeinrichtungen (Volksbad, Factory, Kunstkantine, etc.) gibt es mittlerweile einen bunten Mix zwischen Alteingesessenen (Nachfahren des Arbeiterviertels, Gelis Eck, etc.) und neuen Anreinern (Galerien in Klosterbergestr, Kiezkneipe, etc.).

Bunt, offen und quirlig scheint es im kleinsten Stadtteil Magdeburgs – sicherlich auch ein Grund, warum hier das erste Willkommensbündnis für Geflüchtete entstanden ist, vor allem weil sich viele Kunst- und Kulturschaffende engagieren. Wir haben uns mit Jaqueline Brösicke, Geschäftsführerin vom Volksbad Buckau c/o Frauenzentrum Courage, getroffen und unseren ersten Kiezausflug in der Abenddämmerung gewagt. Zwischen Aufbruch und Bewahrung sprachen wir viel über ihre Verbindung zu Buckau, was ihr wichtig ist, und welche Chance es für die Zukunft gibt.

Magdeboogie: Warum Buckau, was sind deine ersten Assoziationen mit dem Stadtteil?

Jaqueline Brösicke: Für mich beginnt Buckau hier im Hof des Volksbads, mit dem Platz und den Häusern, an denen ich sehe, wie sich die Umgebung auch verändert – gerade wird die Straße neu gemacht – das ist mein kleines Buckau.

Rückblickend auf die Geschichte des Vereins, sind wir nun richtig in Buckau, da wir zuvor an einem Ort waren, an dem wir uns etwas dazwischen gefühlt haben, zwischen Stadtmitte und Buckau.

Magdeboogie: Bist du gebürtige Magdeburgerin oder was hat dich hierher verschlagen?

Jaqueline Brösicke: Ich komme aus Schönebeck, mich hat es aber sehr früh wegen meiner Ausbildung als Gärtnerin nach Magdeburg verschlagen. Dann war ich längere Zeit als Lehrkraft tätig und habe junge Leute zu Gärtner*innen ausgebildet. Damals war ich aber noch nicht hier in Buckau, sondern hatte meine erste Berührung mit dem Stadtteil während der Wendezeit, als wir einen Ort suchten, wo wir unser Frauenprojekt initiieren konnten. Eine Freundin hatte mir den Tipp gegeben, dass eine Villa in der Porsestraße frei werden würde und schlug vor, dass wir uns die mal anschauen. Der Ort war geradezu ideal, ein kleines Hexenhäuschen mit Garten drum herum, frei stehend und das war für uns super.

Magdeboogie: Seit wann gibt es den Verein denn schon?

Jaqueline Brösicke: Mit der Vereinsurkunde im Mai ´90, also sind wir schon ein viertel Jahrhundert alt – Wahnsinn! Und ich bin seit Anfang an mit dabei, deshalb ist es auch so was Besonderes für mich.

Magdeboogie: Also ist es doch er Zufall, dass es Buckau geworden ist!

Jaqueline Brösicke: Als wir aus der Villa raus mussten, kam wieder die Frage auf, welches Domizil wir in Beschlag nehmen könnten und wir brauchten ein größeres Haus. Zeitgleich wurde klar, dass die Stadt das Volksbad in freie Trägerschaft abgeben will und obwohl ich am Anfang sehr skeptisch war, da in dem Haus die Fenster alle oberhalb sind und man nicht gleich raus gucken kann, haben wir uns dann doch entschieden, das Volksbad als Chance zu sehen und aus den sterilen Räumen was Gemütliches zu machen.

Magdeboogie: Was macht Buckau für dich aus und wie grenzt es sich eventuell von anderen Stadtteilen ab?

Jaqueline Brösicke: Buckau ist der kleinste Stadtteil in Magdeburg, jetzt leben vielleicht 6000 Leute hier, aber es waren auch mal andere Zeiten, als sehr viel weniger Menschen hier wohnten. Es gibt hier kleine schmale Straßen, die nicht unbedingt immer hell sind wenn man in den Wohnungen lebt, aber in denen das noch so ein bisschen wie früher ist. Man grüßt sich, schaut aus den Fenstern um Hallo zu sagen oder die Kinder schreien hier hoch zu ihren Eltern, und das macht es für mich irgendwie so heimisch, so gemütlich. Es ist nicht so eine große Allee mit Neubauten oder herrschaftlichen Häusern. Buckau ist sehr menschennah.

Auch, dass es noch nicht tot saniert ist, gefällt mir besonders, ich hoffe, dass es das auch niemals sein wird.

Kiez, Buckau

Speziell hier, wo wir gerade lang gehen, am Werk 4, aber eigentlich auch die ganze Karl-Schmidt-Straße: das ist so eine lange Straße mit einer ebenso langen Geschichte. Ich finde es gut, dass die Stadt die Orte so sein lässt; die Fabriken und alten Gebäude, wo dann doch vieles Neues entsteht. Wo die Leute einfach auch ihre Freizeit verbringen können und gleichzeitig auch Geschichte nacherleben und Leben nachempfinden können.

Was ich an Buckau so mag sind die alten Gebäude, wo noch die Jahreszahlen eingraviert sind, wie hier in der Gießerei, die noch einfach so belassen ist. Ich will gar nicht, dass das hier irgendwie anders wird.

Magdeboogie: Was sind denn generell Veränderungen, die du wahrgenommen hast in den letzten 25 Jahren in denen du in Buckau aktiv bist?

Jaqueline Brösicke: Sehr deutlich ist der Zuwachs an Leuten, die hier hergezogen sind. Mittlerweile ist Buckau ein Stadtteil, in dem man gerne wohnt. Früher war das Stadtfeld. Noch vor zehn Jahren hätte niemand gesagt, „wenn ich umziehe, kommt eigentlich nur Buckau in Frage!“ Für so eine kurze Zeit ein schneller Wandel, was natürlich auch mit dem Sanierungsprogramm zu tun hat.

Auch das Volksbad wurde ja komplett saniert, da die Stadt dort auch einen festen Ort für Kultur schaffen wollte. Der Hintergrund war natürlich, dass man Leute in den Stadtteil bekommen wollte, und diesen entsprechend gestaltet, dass sich Menschen wohlfühlen. Klar, die Villa P und das Thiem20, der Thiemplatz und andere Orte, sind alles so Mosaiksteinchen, die Buckau aus- und lebenswert machen.

Magdeboogie: Siehst du darin auch negative Aspekte, als großes Stichwort die Folgen von Gentrifizierung?

Jaqueline Brösicke: Ich erinnere mich noch an die Klosterbergestraße. Da waren damals die ganzen Läden leer. Und ein Freund von mir hat dann den Kunsthof e.V. gegründet, weil er nicht wollte, dass die Leute darüber auch ausziehen. Und dann kam eins zum anderen, und mittlerweile sind fast alle Läden voll.

Die Läden wurden ja damals noch zum Betriebskostenpreis vergeben. Dann hast du einen Schneeballeffekt. Dann kommt noch eine und noch eine und mittlerweile ist die Klosterbergestraße eine kleine Oase. Doch mittlerweile gibt es auch Leute, die wieder ausziehen, weil es ihnen zu teuer geworden ist.

Auf der anderen Seite haben wir hier noch Ecken wie die Gnadauer Straße. Die habe ich damals durch Zufall entdeckt. Da ist es ruhig, aber es verfällt auch immer noch einiges. Das tut mir dann leid, ich würde mir wünschen, dass man das noch rettet – sei es, dass man es noch woanders anbaut. Nicht dass es dann noch dem Bagger zum Opfer fällt.

Aber man muss natürlich aufpassen, dass es hier nicht wird wie in Stadtfeld – dass sich dann nur noch die Cremé de la cremé diese Wohnungen leisten können. Im Moment haben wir eine super gute Durchmischung. Das finde ich wichtig, damit sich das gegenseitig beflügelt. Man darf einfach nicht verdrängen, und man muss viel Wohnungsbau lassen, und nicht einfach nur Büroräume.

Magdeboogie: Was fehlt dir denn in Buckau?

Was mir immer fehlt, sind gastronomische Alternativen, auch wenn sich da gerade etwas bewegt. Da bin ich vielleicht auch ein wenig zu anspruchsvoll. Aber da reichen mir eben ein paar Dönerläden und Asiaten nicht aus – und neben Marci’s Kietz Buckau hat sich auch noch nicht viel getan.

Darüber hinaus ist mir wichtig, jeden einzelnen Baum zu erhalten. Es hat zwar grüne Stellen, wie das Labyrinth in der Karl-Schmidt-Straße, aber ich finde, Bäume sind immens wichtig. Sonst wirken die Straße und das Gebiet irgendwie tot und steril. Man muss ja auch nicht immer ein Haus hinbauen. Mir sind solche kleine, grüne Oasen wichtig.

Haus, Natur, Buckau

Magdeboogie: Wie viel Kontakt besteht zu den anderen Kulturschaffenden im Kiez?

Sicher geht immer mehr. Aber mir geht es eher um die Qualität. Klar, nach so vielen Jahren kenne ich viele – und mittlerweile werden wir als Kulturinstitution auch ernst genommen. Früher war das ja eher ein kleiner Spießrutenlauf – “Die Emanzen* und Lesben* kommen jetzt” – das war für viele schwierig. Doch das hat sich dann relativ schnell geändert, glücklicherweise, und bei uns im Haus gibt es mittlerweile ein gutes Miteinander. Da sind wir auf einem guten Weg.

Wir haben auch einen guten Kontakt zu anderen. Im Abtshof haben wir während der Songtage ein Konzert gemacht, und mit dem Werk 4 haben wir auch enge Kontakte. Darüber hinaus hast du aber natürlich den Engpass, mit dem irgendwie alles anfing. La Notte, veranstaltet vom Puppentheater, hat damals gezeigt, was man sich alles an so einem Ort vorstellen kann. Und mittlerweile passiert da ganz viel, wenn zum Beispiel Marci zu Ostern die Künstler*innen vor Ort aufruft, Eier zu bemalen, oder in den ganzen Galerien. Und viele engagieren sich auch in den Willkommensbündnissen.

Magdeboogie: Erzähl doch noch mal was zu dem Programm das ihr anbietet.

Wir haben ja damals erst mal keinen Plan gehabt. Als wir das Volksbad übernommen haben, haben wir geschaut, was es da bisher an Programm gab, kombiniert mit unserem Teil. Als frauenpolitische Bildung, auch mit Fokus auf Diskriminierung von Frauen und LGTB, aber auch mit Fokus auf Kultur. Da wollten wir Frauen und Mädchen unterstützen.

Uns ist einfach aufgefallen, dass Frauen viel zu wenig in der Kultur vorkommen. Zwar spielen hier jede Menge Bands, aber meist sind das vier Jungs und Frauen maximal als Frontsängerin. Da wollten wir andere Akzente setzen, und haben dann z.B. skandinavische Bands eingeladen, die da oft weiter sind. Und das muss man erst mal wollen – aber dann verbreitet sich das. Wir haben mittlerweile Anfragen aus der ganzen Welt, weil Bands, die hier spielen, dann sagen, wie toll es in Magdeburg ist.

Darüber hinaus kooperieren wir aber auch viel, um z.B. Tagungen zu realisieren, wie neulich “Lesben in der DDR” – da haben wir bspw. mit der Heinrich-Böll-Stiftung gute Erfahrungen gemacht. Oder vor Kurzem hatten wir eine Ausstellung “Wer braucht Feminismus” in der Unibibliothek. Dafür gab es dann auch hirnbefreite Anfeindungen – aber das sind zum Glück die Ausnahmen, wenn man mal die ganzen Facebook-Kommentare ausblendet.

Wir haben das ja auch gemerkt, wie sich die Wahrnehmung unsers Vereins verändert hat. In den Anfangstagen kamen ab und an Männer zu uns zu Besuch die erst mal gefragt haben, ob sie überhaupt rein dürfen. Es gibt da immer noch diese Angst bei Männern vor starken Frauen, wenn man so will. Mittlerweile haben aber zum Glück auch viele Männer gemerkt, dass es etwas Gutes ist, starke Frauen um sich herum zu haben.

MB: Eine letzte Frage was hältst du von der Bewerbung um die Kulturhauptstadt 2025?

Ich finde, dass es auf alle Fälle die beflügelt, die damit was anfangen können und die Stadt jetzt schon bereichern wollen. Auch wenn man nicht weiß, wo es hingehen soll, finde ich die Idee gut und unterstütze sie, so gut ich kann.

Wir treffen uns einmal monatlich mit dem Kulturschutzbund und reden viel darüber, was in der Stadt passiert. Da überlegen wir natürlich, was man noch machen könnte und wen man unterstützen kann. Als neulich die Diskussion um die Festung Mark hochgekocht ist, haben wir uns auch eingemischt.

Es ist wichtig, dass sich die Kulturschaffenden kennen und dass sie sich vernetzen. Das macht die Bewerbung für mich auch aus – dass es eben ein Prozess ist, den man ganz bewusst mit gestalten kann. Und wir schauen auch, was wir da machen können. Aber es geht nicht um den Titel, sondern den Weg dahin.