Foto: Nilz Böhme

Die Uraufführung von Sergej Gößners „Mongos“ am Schauspielhaus Magdeburg ist eine erfrischende, poetische, energiegeladene Inszenierung. Eine Gratwanderung für Schauspieler sowie die Regisseurin Grit Lukas, die mit dem Stück ihr zweites „Sprungbrett“ liefert. Es geht um Behinderung, Freundschaft, Familie, Gefühle.

Wir brauchen kein Mitleid. Klar sind wir beeinträchtigt, aber wir gönnen uns trotzdem ein aufregendes Leben. Trotz Querschnittslähmung hat Ikarus (Philipp Quest) eine ziemlich große Klappe. Ihm zur Seite steht Francis (Alexander von Säbel). Diagnose: Multiple Sklerose. Er ist empfindsam und schüchtern. Dennoch verbindet die beiden eine tiefe Freundschaft, seit sie sich im Wartesaal der Klinik kennenlernten.

Gut eine Stunde dauert die emotionale Geschichte und erlaubt einen Blick auf zwei gegensätzliche Charaktere, die vom Leben herausgefordert werden. Philipp Quest verkörpert Ikarus intensiv und schafft es, verschiedene Seiten seiner Figur überzeugend zu artikulieren. Es reißt einen mit, wie er sich nicht aufgibt und die stetig aufkommende Melancholie, die sich aus seiner Situation ergibt, mit Konfrontation angeht und sich seinem Schicksal entgegenschleudert.

Vom Himmel fiel ein schwarzes Loch

Bis zu dem Moment, da er nicht mehr dazu in der Lage ist und realisiert, dass er nicht allein seinen Weg bestreiten muss, sondern mit Francis einen zuverlässigen Freund an seiner Seite hat, der viel mehr Facetten zu bieten hat, als Ikarus ahnt und erst zum Schluss des Stückes ansatzweise wahrnimmt. Quest ist tough, wortgewandt und zeichnet sich durch gutes Timing aus.

Alexander von Säbel verkörpert mehrere Personen, neben seinem Hauptcharakter Francis, mimt er die entzückende Jasmin, deren Verwandlung dem Zuschauer stets ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert. Außerdem gibt es noch den schwulen Psycho, der versucht ins Unterbewusstsein Ikarus‘ vorzudringen, mit seinem Outing bei ihm aber nur die Angst vor dem Fremden bzw. die Abwehrhaltung verstärkt. Auch die Rolle des Chefarztes übernimmt von Säbel und beweist somit, dass es möglich ist, das Stück und seine Atmosphäre mit lediglich zwei Darstellern umzusetzen.

Mongos ist ein interaktives Stück. Nicht in dem Sinne, dass das Publikum mitspielt, aber die Stimmung wird von der Verbindung zum Zuschauer getragen. Offen- bzw. Aufgeschlossenheit zeichnen die Inszenierung aus. Die Bühne ist spartanisch eingerichtet – Krankenhaus eben – und so wird der Blick auf die Charaktere gelenkt bzw. die Beziehung derer untereinander. Rollstühle und Krücken werden in ihrem Gebrauch verfremdet, um ihre Assoziation mit Einschränkung und Krankheit zu lösen (Ausstattung: Nadine Hampel). Auflockerung, aber teilweise auch Verstärkung erfährt die emotionale Spannung durch musikalische Einspieler sowie Lichtmalereien. Es ist mitreißend, leidenschaftlich, aufmunternd, aber auch traurig, wie die gemeinsame Geschichte von Francis und Ikarus präsentiert wird. An sich passiert nicht viel, aber im Innern des Betrachters entsteht ein vielfältiges Bild dank der Leistung des Teams um Grit Lukas.

Für Rezipienten ab 13 Jahren als mobile Produktion konzipiert, soll Mongos den Weg in Klassenzimmer, Krankenhäuser und andere Räume außerhalb des Theaters finden, unter besucherservice@theater-magdeburg.de kann das Stück gebucht werden.