Das Prinzip des Kreisverkehrs ist einfach: Um eine Mittelinsel verläuft eine  Kreisfahrbahn. Autos fahren rein. Blinken. Fahren raus. Autofahrer:innen müssen nicht  lange anhalten, daher kommt es seltener zu Staus. Doch bei mangelnder  Aufmerksamkeit ist das Unfallrisiko dennoch erhöht.  

Schwenk zu einem Kreisverkehr in Magdeburg. Dieser Kreisel, der in der Mitte mit  einer künstlerisch blauen Straßenlaterne geschmückt ist, wird täglich befahren. Er wird  aber nicht nur von Autos, sondern auch von Radfahrer:innen und Fußgänger:innen genutzt, um zur Elbe, in die Stadt oder nach Hause zu kommen. Auch mehrere  Geschäfte liegen an dem Kreisverkehr. So auch das Pub „Moonlight”: Es sticht  besonders durch das große grüne Banner mit der Aufschrift „Moonlight: Dein Kiez – Deine Bar“ hervor. Die Ornamente über der Eingangstür und die Pilaster an der  Fassade machen es zu einem Hingucker zwischen Autos und Altbauwohnungen. Seit  Beginn der Corona-Pandemie steht die Bar unter Druck, denn sie musste auf einen  Lieferservice umsteigen. Noch vor einem Jahr war das gar nicht denkbar, erklärt eine Mitarbeiterin. Sie trägt einen großen Karton in das für-Kunden-geschlossene Pub. „Es  geht schon, wir kommen damit jetzt ganz gut klar”, sagt ein weiterer Kollege, der am  offenen Fenster steht. Bei ihm kann man sich für 2,50€ einen Grog oder einen  Glühwein kaufen. 

Aber damit ist das „Moonlight“ nicht allein. In diesem Kreisverkehr bietet noch ein  Verkauf Glühwein an, der längst nicht so edel aussieht. Ein kleiner Imbisswagen  verteidigt hier tapfer jeden Tag seinen Platz und verkauft montags Gulasch, dienstags  Roster, mittwochs Suppe und donnerstags Schnitzel. Die Verkäuferin erzählt, dass sie  erst seit August diesen Platz haben, aber dass es seitdem immer schwieriger  geworden sei: „Im Sommer saßen hier noch die Bauarbeiter, die gegenüber arbeiten.  Wir hatten Bänke und Tische aufgestellt und ein’ großen Pavillon. Jetzt kommen sie  zwar ab und zu – aber trinken nur schnell am Rand ein Bier oder ein’ Kaffee und gehen  dann wieder. Trotzdem verkaufen wir hier noch Essen, aber wesentlich weniger als zu  Beginn. Auch in dem dazugehörigen Kiosk wird weniger verkauft”, sagt sie. „Die  müssen ja alle zu Hause bleiben, damit bleiben auch viele Stammkunden weg.”  Gerade kommt die Frage nach Staatshilfen auf, da nähert sich eine Gruppe von  Männern von der Baustelle zum Imbiss: „Da sind sie ja.” 

Der Kreisverkehr prägte in der Nachkriegszeit das deutsche Straßenbild, wie die  Pandemie gerade das Menschenbild prägt. Doch schon bald wurde das System  ersetzt und stattdessen zieren nun Ampeln jede zweite Straßenecke. Trotzdem bleibt  er nicht vergessen, überzeugt weiterhin durch sein gut durchdachtes Konzept. In den  letzten Jahren nahm der Bau von Kreisverkehren auch wieder zu. Auf Anfrage der  Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. liegt das daran, dass es im Kreisverkehr weniger Konfliktpunkte gibt, an denen sich  Verkehrsteilnehmer:innen überschneiden. „Durch den Umbau von vorher  sicherheitsproblematischen Knotenpunkten zu Kreisverkehren lässt sich im Mittel eine  deutliche Erhöhung der Verkehrssicherheit erreichen“, schreibt Marie Luise Jansen  von der FGSV. 

Der Kreisel steht sinnbildlich für Effizienz und Schnelligkeit. Doch obwohl viele  Menschen täglich durch tausende Kreisverkehre in Deutschland fahren, kommen sie  nicht voran. Drehen sich im Kreis. Das liegt daran, dass viele Bereiche des  öffentlichen, aber auch privaten Lebens eingeschränkt sind. Zum Anfang der Corona-Pandemie wurde noch nicht mit dem jetzigen Ausmaß gerechnet und sich  dementsprechend auch keine nachhaltigen Konzepte oder Ideen für die kommenden  Jahre überlegt. Daraufhin wurden Konzepte von der Politik erstellt, die jedoch auch  nur auf eine kurze Sicht Sinn gemacht haben. Ab einem gewissen Punkt musste man  wieder von vorn beginnen. Ein niemals endender Kreislauf. 

Doch nicht nur das „Moonlight“ und der kleine Imbiss – alle Restaurants, Imbissbuden  oder Bars leiden unter der aktuellen Situation. Der Umsatz des Gastronomiegewerbes  fiel im letzten Jahr um knapp 60 Prozent. Jetzt muss die Arbeit erfolgen, wie der  Verkehrsfluss im Kreisverkehr: schnell und effizient. Nur das hilft dabei, nicht auf der  Strecke zu bleiben. So wie zwei ältere Männer im Kreisverkehr – der eine auf einem  Moped, der andere auf einem dreirädrigen Elektroroller. Sie fahren beide mit ihren  Geräten auf dem Fahrradweg. Gegenseitig versuchen sie sich verzweifelt  anzuschieben. Sollte so ein Moped nicht eigentlich von allein fahren? Sie quälen sich  durch den Kreisverkehr, wie sich die Verkäufer:innen durch die Pandemie quälen. 

Im letzten Jahr musste sich das Gewerbe immer wieder neu erfinden. Lokale hatten  spezielle Öffnungszeiten, es gab eine Einschränkung in der Anzahl von Gästen, dann  kam es zur Entwicklung und Umsetzung neuer Hygienekonzepte. Aktuell sind  Gastronomiestätten wieder komplett geschlossen, nur Lieferungen und Abholungen  sind möglich. 

Dennoch hat sich das „Moonlight“ gut angepasst. „Wir hatten ein gut durchdachtes  Hygienekonzept und die Tische waren mit Folien voneinander abgetrennt”, erzählt die  Mitarbeiterin, die nun am Fenster steht, „Jetzt sind wir vielfältiger aufgestellt – entweder  man bestellt online oder man ruft an. Und zusätzlich haben wir noch den Verkauf  durchs Fenster”. Sie haben sich sogar eine eigene App angelegt, über die man Essen  bestellen kann. Viele der Gäste, die vorher ins „Moonlight“ gegangen sind,  unterstützen das Pub auch jetzt noch. „Schon seit dem ersten April letzten Jahres  liefern wir unser Essen aus. Anfangs war unser Liefergebiet nur begrenzt, weil wir noch  nicht ganz wussten, wie gut es läuft”, sagt die Mitarbeiterin des „Moonlight“. Die  Kund:innen nahmen das Angebot schnell an und so entschloss sich das „Moonlight“ neben vieler Speisen auch Cocktails zu liefern. Denn auch der Verzehr von  alkoholischen Getränken in der Öffentlichkeit ist aktuell untersagt.

Tatsächlich haben viele Restaurants Schwierigkeiten weiterhin Speisen und Getränke  an ihre Kunden zu verkaufen. Das italienische Restaurant „Da Nino Dolce Vita” direkt  neben dem „Moonlight“ kann momentan nicht mit der Konkurrenz mithalten und geht  daher im täglichen Trubel unter. Durch die Fenster sieht man viele Pflanzen und rote  schwere Vorhänge. Einen Lieferservice haben sie auch nicht, lediglich eine Abholung  ist möglich – Die Pandemie trifft sie schwer. Im Vorbeigehen entdeckt man nur ab und  zu jemandem in der Küche. Sonst sind die Lichter aus und alles was bleibt, ist die  Erinnerungen an ein volles Restaurant, das im November noch so viele Gäste mit  seinem Duft von Steinofenpizza, frischen Tomaten und Basilikum gelockt hat. Damals  rangen die Gäste darum, einen Platz im Restaurant zu bekommen, egal ob drinnen  oder draußen. Tische gab es reichlich und jeder war besetzt. Das ist jetzt unvorstellbar,  da das „Da Nino Dolce Vita” verändert wirkt – einsamer.  

Auch das „Moonlight“ scheint verändert. In den Gängen zur Toilette stapeln sich die  leeren Pizzakartons. Die großen Fernseher, die so viele Sportfans hierhergelockt  haben, sind aus. Das ganze Pub wirkt dunkler. Statt auf Äußerlichkeiten zu achten,  geht es hier jetzt vor allem um die Effizienz. Möglichst schnell gute Gerichte zu liefern  und durch die eigene App und Social Media nicht vom Bildschirm zu verschwinden. An  der Tür klebt groß handschriftlich der Zettel „Abholung am Fenster”. Wahrscheinlich  macht man sich hier nicht mal mehr die Mühe, solche Sachen ausdrucken und  laminieren zu lassen, weil man weiß, dass es in der nächsten Woche schon wieder  ganz anders aussehen könnte. 

Die Regierung will die Schließung des Gastronomiegewerbes noch bis zum 22. März  2021 beibehalten. Ab dann ist eine Öffnung der Außengastronomie möglich. „Bund  und Länder arbeiten an einer sicheren und gerechten Öffnungsstrategie im Bereich  der Gastronomie und des Hotelgewerbes”, so die Bundesregierung zu den Reglungen.  Wie genau diese aussehen, führen sie nicht weiter aus. Die Mitarbeiter des „Moonlight“  bleiben aber zuversichtlich: „Hoffentlich können wir unsere Türen bald wieder öffnen“ schreiben sie auf ihrem Social Media-Account. Es ist aber davon auszugehen, dass  das Gastronomiegewerbe noch etwas ausharren muss und weiterhin nur die Lieferung  und Abholung von Speisen gestattet sein wird. Es heißt also für die Gastronomie:  Abwarten und sich nicht überfahren lassen in diesem niemals endenden Kreisverkehr.