Foto: Nilz Böhme

Der Nazi und der Friseur“ erzählt die Geschichte des Max Schulz, späterer Itzig Finkelstein, nach dem Roman von Edgar Hilsenrath in einer Uraufführung am Schauspielhaus unter der Regie von Susanne Lietzow. Dieses Stück ist grenzwertig – sowohl in seiner Sprache als auch in seinen Bildern. Endlich wird etwas gewagt, den Zuschauenden Ekel zugemutet, aber auch eine Aufführung, die mehr als drei Stunden Lebenszeit beansprucht.

Max Schulz (Konstantin Lindhorst) wächst als Sohn von Minna Schulz (Susi Wirth) auf. Sein Vater ist einer von Vielen, denn seine Mutter mag sich ungern festlegen. In seiner Kindheit freundet sich Max mit dem jüdischen Nachbarsjungen Itzig Finkelstein (Raphael Gehrmann) an und geht bei dessen Vater (Thomas Schneider) in die Lehre, um Friseur zu werden. Als die Nationalsozialist*innen an die Macht kommen, wird er, begünstigt durch seine arische Herkunft, vom Führer in den Bann gezogen. Schließlich ist die Farbe der Freude zu der Zeit braun, wie es Ralph Martin als tanzende Blume eindringlich zelebriert, während Hitler (Sebastian Reck) vogelähnlich vor weißer Wand schwebt und Unverständliches schreit. Zwischendrin entweichen ihm „Harzer Käse“ oder ein inbrünstiges „Muh“, was die groteske Veranlagung des Stückes unterstreicht. Hinzu kommen albtraumhafte, auf das weiße Bühnenbild projizierte Videosequenze, die der Inszenierung einen Hauch von Charlie Chaplin im Zusammenspiel mit der Addams Family und Sweeney Todd verleihen.

Nach der Pause begegnen wir bei hell erleuchtetem Zuschauerraum dem neuen Ich des Max Schulz. Der ehemalige Nationalsozialist wird dem Auditorium als Holocaust-Überlebender Itzig Finkelstein vorgestellt und soll nun seine Geschichte erzählen. Aus dieser Szene ergibt sich eine Beziehung zum Publikum, die bewusst macht, dass es nicht um irgendeine Figur aus einem Stück geht, sondern um das Schicksal eines Menschen, das es in der Realität ebenso geben kann und die Frage, wie wir uns zu so einer Person verhalten.

Alle Schauspieler*innen, die an diesem Stück mitwirken, werden bis zum Äußersten gefordert, das überträgt sich auf das Publikum und erzeugt eine anhaltende Mischung aus Verstörung und Erheiterung, wobei zum Ende das Dramatische überwiegt. Jeder der Akteur*innen auf der Bühne ist in der jeweiligen Rolle – es sind wahrlich viele Figuren, denen die Zuschauenden begegnen – überzeugend.