Auch die Fête de la Musique ist von den Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus betroffen. Das Straßenmusikfestival reagiert mit einer weitgehend ins Internet verlegten Programmplanung auf die Pandemie-bedingten Einschränkungen, sodass der Festtag der Gratiskonzerte nicht abgesagt werden muss! Was bei der Fête in diesem Jahr geht und wie du dabei sein kannst erfährst du im Interview mit einer der Mitorganisator*innen.

 

Magdeboogie: Eigentlich erwartet uns in der längsten Nacht des Jahres ein Happening für Musikverliebte: Auf der Fête de la Musique treten alljährlich auf vielen Bühnen in der ganzen Stadt verteilt Künstler*innen, Bands und Chöre auf! Wie war die Stimmung im Team, als klar war, dass die Fête nicht wie geplant stattfinden kann?

Sonja: Die Entscheidung an diesem 17. April, die Fête de la Musique Magdeburg in ihrer eigentlichen Form, so wie in Deiner Frage beschrieben, dieses Straßenfestival mit viel, viel, viel Musik, live und open air, abzusagen, hatte für uns als Team 2 Seiten.

Einerseits fiel von uns nach den vorangegangenen Tagen, Wochen der Ungewissheit, ob wir die Fête machen können oder nicht, auch ein großer Druck ab. Aber die Klarheit darüber, dass das Musikfest – eine Großveranstaltung mit mehreren tausend Besucher*innen – nicht durchgeführt werden kann, machte uns natürlich traurig und auch im ersten Moment ratlos.

Zu diesem Zeitpunkt waren wir bereits sehr weit in der Vorbereitung vorangeschritten, kurz davor das Bühnenprogramm zusammenzustellen, das Lineup zu planen, die Bühnentechnik zu reservieren und so weiter.

Magdeboogie: Ganz absagen wolltet ihr die Veranstaltung nicht und seid wie viele Kulturschaffende in die digitalen Sphären eingetaucht! Welche Chancen, aber auch Verluste siehst du durch die Digitalisierung von Konzertveranstaltungen gegeben?

Sonja: Eine Absage stand wirklich nur ganz kurz im Raum. Nach Rücksprache mit unserem neuen Trägerverein, dem Aktion Musik e. V. und auch im bundesweiten Austausch mit den Fête Deutschland Städten über Videokonferenzen, haben wir uns entschlossen, wie viele andere Städte in Deutschland,  den »Tag der selbstgemachten Musik« ins world wide web zu verlegen. 

Wir wußten noch nicht in welcher Weise und vorallem wussten wir nicht was da mit der Fête On Air auf uns zukommt! 

In dem seit mehreren Wochen laufenden Streaming-Format, Hof on Air im Moritzhof haben wir eine passende Plattform gefunden und mit dem ARTist! e. V. einen kongenialen Partner. Mit der Fête On Air endet  zugleich die über Hof on Air initiierte Spendenaktion für freie Magdeburger Kulturschaffende. Wir hoffen noch einmal auf eine besonders rege Spendenbeteiligung.

Ein Konzert-Event 2.0 birgt auf jeden Fall neue Möglichkeiten. Es sind keinerlei  zeitliche und / oder örtliche Grenzen gesetzt.  Bereits im Vorfeld hat jeder / jede potenzielle Teilnehmer*in weltweit die Möglichkeit, sich zu jeder Zeit zu informieren und anzumelden, an einem Musikevent teilzuhaben. Große Entfernungen werden irrelevant. Ich persönlich habe in Coronazeiten Konzertübertragungen aus der Hamburger Elbphilharmonie verfolgt, die ich so sicher nicht gesehen hätte.

Der Stream von Live-Konzerten ist z. B. in der Klassik sicher auch ein Weg, sich jenseits der vollbesetzten Säle ein Publikum zu erschließen.

Trotzdem bin ich eine Verfechterin der Nähe zu den Musiker*innen, der Atmosphäre bei einem analogen Live-Konzert, dem Feeling in einem kleinen Club, einer großen Arena oder bei einem Festival. Das kann in keinem Fall so  im virtuellen Raum entstehen.  

Ich bin sicher beide Wege werden nebeneinander gegangen werden und sich zukünftig auch miteinander mehr und mehr verschränken.

Magdeboogie: Könnten Streams zur Zukunft der Fête de la Musique Magdeburg gehören?

Sonja: Die Fête de la Musique ist und bleibt ein Live-Erlebnis. Sie lebt von der Musik da draußen in den Gassen, auf den Straßen, in den Parks, auf den vielen kleinen und größeren Bühnen. Sie lebt davon, dass die Menschen, in der Stadt unterwegs sind, von einem Spielort zum anderen ziehen, dass sie sich von den Musiker*innen zum Mitsingen, Mittanzen animieren lassen. Sie lebt davon, dass überall und draußen Musik in der Luft liegt, Musik jeglicher Art.

Aber Streams können durchaus zur Zukunft der Fête gehören. Bereits seit einigen Jahren sind wir immer wieder an der Idee eines deutschlandweiten Streams gescheitert, sind vor der technischen Herausforderung zurückgeschreckt. Diese Ausnahmesituation hat uns gezwungen, diese Dinge anzugehen, sie als machbar anzunehmen und sie auch zu verwirklichen.

Inzwischen verbindet die Fête de la Musique Menschen in weltweit 520 Städten, davon 297 in Europa (82 in Deutschland). Zu hören gibt es Musik aller Stilrichtungen, für das Publikum gratis, dank all der Bands, Orchester, Chöre und Solisten, die an diesem Tag ohne Honorar auftreten.

Diesen unglaublichen Spirit vielleicht bald in einem Stream zusammenzubringen, den Menschen die Möglichkeit zu geben, zu sehen und hören, wie wir durch die Musik alle miteinander verbunden sind,  dem sind wir, glaube ich, auf jeden Fall einen Schritt näher gekommen. 

Magdeboogie: Was erwartet uns bei der diesjährigen Fête de la Musique Magdeburg und worauf freust du dich persönlich am meisten?

Sonja: Die Fête On Air wird von 15:00 bis ca. 21:30 Uhr live über die facebook accounts der Fête Magdeburg und des Kulturzentrums Moritzhof sowie über dessen Youtube-Kanal zu erleben sein.

Wir übertragen von 2 Bühnen, einer Open-Air Bühne im Innenhof des Moritzhofes und von der inzwischen bereits bekannten Hof on Air-Bühne aus dem Theater Unter’m Dach.

Insgesamt sind es 9 fabelhafte Acts: die Bands Foyal und HYPERSCHALL aus Magdeburg, Elephant’s Foot aus Leipzig, LEYAS CRAVE aus Halle, die Max Demian Band, 10 kreativen Vollblutmusiker*innen aus Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Außerdem solo oder als Duo Sonja, The Boy With No Name, Urknall und Perlenspinner, alle aus Magdeburg.

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Ergänzt wird das Programm von Videoeinspielungen und Live-Interviews. Zudem wird ein Teil unseres Musikprogramms über den Youtube-Kanal des Landes gesendet, der aus 5 Städten in Sachsen-Anhalt überträgt.

Ich persönlich freue mich eigentlich total darauf, mit all den tollen Leuten, Musiker*innen, Techniker, Moderatoren, unseren Live-Gästen,  diese wirklich crazy Herausforderung anzugehen und eine unglaubliche, digitale Fête zu machen.

Magdeboogie: Worauf achtet ihr bei der Auswahl der Künstler*innen?

Sonja: In diesem Fall war es für meinen Kollegen im Fête-Orgateam, Matthias Buchholz besonders schwer. Er musste aus den vielen Anmeldungen eine Vorauswahl treffen. Gemeinsam haben wir dann diese Vorauswahl durchgehört und die Musiker*innen eingeladen. Es gab in der Zwischenzeit die eine oder andere Änderung im Programm, vorrangig weil nicht geprobt werden konnte, aber letzten Endes kommen jetzt alle gern. 

Das Fête On Air Programm soll ähnlich wie das große Bühnenprogramm in der Stadt eine Mischung aus allen möglichen Stilen und Genres sein, Profis wie Amateure sollen auftreten. Ich glaube das ist uns unter den schwierigen Umständen mit dem Mix auch gut gelungen.

Magdeboogie: Neben dem offiziellen Programm gehören zur Fête de la Musique Magdeburg spontane Auftritte von Straßenmusikern. Auch 2020?

Sonja: An diesem 21. Juni spricht natürlich nichts gegen einen Straßenmusikauftritt. Wir selber konzentrieren uns auf den Stream. Eine eigenständige Anmeldung beim Ordnungsamt ist ja möglich. Soweit ich weiß gibt es schon seit einiger Zeit wieder Musiker*innen, die Straßenmusik machen. Ich bin gespannt was so auf den Straßen passiert, es wäre schon schön.

Magdeboogie: Die Fête de la Musique Magdeburg findet in diesem Jahr in neuer Trägerschaft statt, was sollten wir über das Gröninger Bad Magdeburg – Aktion Musik e.V. wissen? 

Sonja: Das Gröninger Bad ist seit über 25 Jahren eine musikalische Talentschmiede.  Gegründet wurde der Verein Aktion Musik e. V. im Oktober 1991 und hat seit August 1992 seinen Sitz im Gröninger Bad. Damals gehörte der aus dem ehemaligen Volksbad Südost entstandene Musikclub zu den Hotspots der Stadt. Gut 1.000 kleine und große Konzerte fanden hier über die Jahre statt, Namen wie Silly, Rosenstolz,  Subway to Sally, Tony MacAlpine, Mike Portnoy gaben sich das Plektron in die Hand. Später dann trat hier u.a. Tokio Hotel (damals noch Develish) auf, bevor die vier Magdeburg Jungs ihre großen Erfolge feierten.

Das umgebaute Gröninger Bad ist für Kinder und Jugendliche ein Ort, an dem sie ihre musischen und filmischen Fähigkeiten entfalten können. In dieser langen Zeit entwickelte sich das Gröninger Bad zur praxisnahen Umgebung für eine Vielzahl von Medientechniken.

Nach sieben sehr lebendigen und erfolgreichen Jahren unter der Trägerschaft der .lkj) Sachsen-Anhalt freuen wir uns, mit dem Aktion Musik e. V. eine neuen Träger gefunden zu haben, dem die Musik so richtig am Herzen liegt.  

Magdeboogie: Wer steckt hinter der Organisation des Events und welche Aufgaben werden dir zu Teil?

Sonja: Die Fête de la Musique Magdeburg, auch die diesjährige Fête On Air hat ein übersichtlich großes Projektteam von 2 Menschen. Den bereits erwähnten Matthias Buchholz, technischer Overhead und zuständig für die Akquise und Betreuung der Musiker*innen, Erstellung des Bühnenprogramms, Webadmin und seinerseits Musiker, Musikpädagoge, Tontechniker und noch so einiges mehr 🙂

Ich selber habe die Projektleitung inne.  Ich kümmere mich um die Konzeption, die Finanzierung, die Mittelverwaltung, die programmatische Planung und Umsetzung, Bühnenpartner*innenakquise, Genehmigungen, Versicherungen, Absprachen mit Ämtern, die Koordination der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit etc. und letzten Endes die Abrechnung.

Unterstützt werden wir seit langer Zeit in den letzten Wochen vor der Fête von einer Presseverantwortlichen, einer Social Media Managerin und unserem langjährigen, geduldigen und auch deshalb hochgeschätzten Layouter.

Magdeboogie: Wie können euch Interessierte ggf. noch unterstützen? 

Sonja: Nun, Geld ist immer ein Thema bei einer expliziten non profit Veranstaltung. Über Spenden, die wir in unsere Fête fließen lassen können, freuen wir uns natürlich immer. Ansonsten, mit Ausnahme der Fête On Air in diesem Jahr, basiert unser Konzept auf eigenen Bühnen / Spielorten – in der Regel 4-5 – und Partnerspielorten. Die Zahl der Partner*innen wächst seit 2 Jahren kontinuierlich. 2019 hatten wir insgesamt 32 Spielorte. Wir würden uns freuen, wenn Kneipen, Veranstaltungsorte, Ladenlokale etc., die Lust darauf haben am 21. Juni ein »Ort der Musik« zur Fête zu werden einfach bei uns melden.

Schließlich wollen wir, dass zur Fête de la Musique in Magdeburg, jedes Jahr zum Sommeranfang, Musik erklingt überall und draußen in der ganzen Stadt. 2020, zur 19. Fête de la Musique Magdeburg wollen wir uns schließlich wieder ein Stück vom Himmel erspielen.

Die Fête de la Musique, eine Initiative des damaligen französischen Kulturministers Jack Lang, fand erstmals im Juni 1982 in Paris statt. Magdeburg feiert seit 2003 mit.