Fußball ist Männersport? Auf gar keinen Fall! Schon immer sind die Stadien in aller Welt auch von Frauen bevölkert. Aber was wissen wir über Mädels in den Fanszenen Europas? Wenig, denn Frauen kommen in den Vereinschroniken, Erzählungen oder auch im Profi-Fußball kaum bis gar nicht vor. Eine neue Ausstellung namens Fan.Tastic Females soll das ändern. Sie ist seit 10. Februar in Magdeburg zu sehen und zeigt erstmals die Geschichte von Frauen beim Fußball. Magdeboogie spricht mit einer der Ausstellungsmacherinnen, mit Antje Grabenhorst.

Hallo Antje! Vielen Dank, dass du dir Zeit für ein paar Fragen genommen hast. Kurz vorab, was machst du eigentlich? Wie bist du dazugekommen, eine Ausstellung über Frauen beim Fußball zu konzipieren?

Ich bin selber passionierter Fußballfan seit klein auf und habe acht Jahre Fußball gespielt. Das war echt nicht einfach, akzeptiert zu werden und zu verstehen, dass es leider nicht das gleiche ist, als Mädchen auf die Welt zu kommen. Ich habe mein Engagement dann nicht nur in den Fußball gesteckt, sondern immer damit verbunden, ins Stadion zu gehen, mich zu gesellschaftspolitischen Themen zu positionieren und mit anderen Fans zu vernetzen. Bei einem Treffen von Fußballfans gegen Homophobie bin ich 2016 Dani Wurbs begegnet, damaliger CEO bei Football Supporters Europe (FSE), die eine Ausstellungsidee im Kopf hatte. Gemeinsam mit einer Projektgruppe, bestehend aus Kamerafrauen und vielen Freiwilligen, haben wir dann begonnen, die Ausstellung als FSE-Crew zu planen und sind über ein Jahr jeweils jeden Monat durch Europa gereist, um verschiedene Frauen zur schönsten Nebensache der Welt – dem Fußball – zu porträtieren.

Was ist das Kernanliegen der Ausstellung?

Es geht darum, weibliche Fußballfans sichtbar zu machen und darum, dass sie ihre Sicht auf das Ganze erzählen können. Der Großteil der Fußball- und Fangeschichte ist bisher aus einem männlichen Blick betrachtet und geschrieben worden. Wir wollten diese Perspektive erweitern. Nicht mit dem Ansatz, herauszustellen, wie anders Frauen den Fußball wahrnehmen, sondern, dass sie im Grunde eine ähnliche Motivation und Leidenschaft haben, ähnliche Wünsche und Themen. Einzig die Erfahrung mit Abwertung, Ausgrenzung – also Sexismus – unterscheidet sich vielleicht etwas. Aber auch hier wollten wir nichts vorgeben. Die Frauen sind super unterschiedlich. Alleine darin, wo sie stehen, wie sie organisiert sind, ob sie die Trommlerin der Ultragruppe sind, Aufsichtsratsvorsitzende des Vereins oder die Kneipenbesitzerin.

© Sabrina Adeline Nagel

Die Ausstellung ist seit der Eröffnung 2018 in Hamburg schon an vielen Orten gezeigt worden. Wie ist bisher die Resonanz auf das Gezeigte?

Es müsste bald der 50 Ausstellungsort sein, an dem die „Fan.Tastic Females“ gezeigt werden. Ich war bei der Hälfte der Ausstellung als Gast oder Referentin dabei. Mein Eindruck ist, dass viele Leute, egal ob Frauen oder Männer, sehr dankbar sind, dass das Thema weibliche Fankultur und die Verteilung in Gremien, die gläserne Decke, Sexismus und der Umgang damit in diesem Rahmen auch innerhalb der Vereine und Fanszenen zur Sprache kommt. Das Feedback war durchweg positiv und wir haben das Gefühl, die Leute sind für das Thema näher zusammengerückt und arbeiten auch weiter daran. Ich wurde so oft angeschrieben oder angesprochen, dass wir den Frauen und Männern aus der Seele sprechen und habe den Eindruck, dass wir einfach Vorbilder schaffen bzw. sichtbar machen.

Welchem Verein fühlst du dich eigentlich zugehörig?

Ich stehe in der Bremer Ostkurve und bin seit ungefähr 12 Jahren in der Fanszene von Werder Bremen, vorher habe ich selbst aktiv Fußball gespielt und daher eher selten Zeit gehabt, ins Stadion zu gehen. 

Wie ist die Wahrnehmung von Frauen, die in deiner Fanszene unterwegs sind? Wo gibt es Probleme und wie können diese gelöst werden?

Ich möchte das ungern nur auf Bremen beziehen. In Bremen gibt es schon sehr lange viele Frauen in der Fanszene, die selbstverständlich dazugehören, das ist vielleicht nicht besonders repräsentativ. Aber auch diese Frauen machen vielleicht andere Erfahrungen als Männer und es ist nicht immer alles cool für sie. Ich tausche mich in verschiedenen Netzwerken viel mit Frauen zu diesem Thema aus, da zeichnet sich ein differenzierteres Bild: Es gibt Frauen, die beispielsweise keinen Zugang zu verschiedenen Ultragruppen haben, weil sie die Ansprüche nicht erfüllen können oder einfach nicht erwünscht sind und weil es viele Vorurteile und Hürden gibt. Es gibt aber auch Freuen in verschiedensten Fan-Gruppen und davon gar nicht so wenige, selbst wenn es eigentlich maximal 10 % sind. Meiner Erfahrung nach gibt es nicht das eine explizite Thema bei oder für Frauen. Manche sind total zufrieden damit für den Fanklub nur den Merch-Stand und die Salate zu machen – also eher klassische Rollen anzunehmen. Für andere wiederum käme das nicht infrage, sie wollen in der ersten Reihe stehen oder laufen. Alles hat damit zu tun, wie viele Räume erkämpft werden und wie viel Raum einer auch zugestanden wird. Als Frau musst du dich automatisch mit deiner Rolle auseinandersetzen, fällst viel mehr auf, musst dich lernen durchzusetzen, abzugrenzen. Sexismus und sexualisierte Gewalt sind Tabuthemen, die viele Frauen beschäftigen. Aber am Ende sind weibliche Ultras dann auch einfach Ultras, Teil der Fankultur und machen das Ganze aus dem gleichen Gefühl heraus. 

Der Fußballsport an sich wird von den meisten Menschen sicherlich als männlich konnotiert: Das Spiel mit den Füßen und Beinen ist nur für harte Sportler*innen geeignet. Das Spiel findet meist draußen statt, wo mensch vor Wind und Wetter ungeschützt ist. Eine ausgeprägte Körperlichkeit, grobe Fouls und Taktik-Spielchen bestimmen das Spielergebnis. Wieso werden dem Fußball stets scheinbar männliche Eigenschaften übergeholfen?

Es gibt und gab ja das lange Verständnis davon, wie Männer und wie Frauen „zu sein haben“ oder eben sind, also ein sehr klares Rollenverständnis. Frauen das schöne Geschlecht, eher schwach, gebend, nett und so weiter. Die Erzählung, dass Fußball nichts für Frauen sei, zieht sich eigentlich konstant durch die Geschichte, seit dem der Fußball um 1900 populär wurde. Viel wurde biologisch begründet, von absurden Theorien, dass durch Fußballspielen die Gebährfähigkeit von Frauen eingeschränkt wird bis hin zu Verboten, lächerlichen Prämien und kaum bis gar keiner Förderung und Sichtbarkeit für Spielerinnen. Ich glaube, viele Leute brauchen die Erzählung einer starken Männlichkeit, mit klaren Rollen und Sphären. Wer Privilegien hat, gibt diese nicht freiwillig einfach ab, weil viele meinen, dass es eben Gründe gibt, warum es so ist, wie es ist. Frauen mussten sich seit Jahrhunderten Rechte erkämpfen. Das Wahlrecht, Selbstbestimmung des Lebens und Körpers und eben auch das Recht, Fußballspielen zu dürfen oder zum Teil auch ins Stadion zu gehen. Ich finde den ewigen Vergleich zwischen Frauen und Männerfußball lästig. Es ist Fußball und Punkt. Mensch sollte auch auf die Gemeinsamkeiten schauen, nicht nur auf die Unterschiede. Genauso bei der Diskussion um Männer und Frauen. Wir sind vor allem Menschen. 

© Fan.Tastic Females Düsseldorf

Was muss sich in Zukunft bei den Fans, bei den Spieler*innen und auch beim Verband und den Vereinen ändern, damit der Fußballsport ein Sport für alle wird und fußballbegeisterte Frauen gleichwertig anerkannt werden?

Zu allererst ist es ganz hilfreich, sich die eigenen Strukturen anzugucken und überhaupt wahrzunehmen, wie die Posten besetzt sind. Das ist genauso wie immer nur von Fußball zu sprechen und eigentlich Männerfußball zu meinen. Das fällt dir dann halt erst auf, wenn der Frauenfußball ins Spiel kommt. Mensch kann darüber nachdenken, was für Maßstäbe jede*r selbst hat und warum manche Personen meinen, dass die Posten nur von Männern besetzt sein können. Mensch kann natürlich fördern, dass es diverser wird, indem Frauen gewisse Jobs zugetraut werden. Ob das jetzt mit einer Frauenquote geregelt wird oder nicht, bleibt jedem Verein oder Verband selbst überlassen. Ich glaube allerdings, dass sich ohne Quote nicht wirklich viel ändert. Gleiches gesinnt sich gerne zu gleichem, der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Es muss schon hart dafür gearbeitet werden, damit sich etwas ändert, mehr diskutiert wird und sich alle öffnen. 

Wie können sich Frauen beim Fußball gegenseitig supporten? Welche Netzwerke gibt es unter Frauen?

Solidarität ist voll das wichtige Stichwort, da es unter Frauen auch eine super krasse Konkurrenz gibt. Das ergibt sich dadurch, dass es gar nicht so einfach ist, anerkannt zu sein und einen gewissen Status zu erlangen. Ich finde es cool, sich vor Ort untereinander zu supporten, vielleicht auszutauschen oder Rat zu holen, sich zu vernetzten. Nicht kategorisch ätzend zu anderen Frauen zu sein und ihnen das Leben nicht zu erschweren, hilft auch schon mal. Aber auch darüber hinaus gibt es Netzwerke wie F_in – Frauen im Fußball, wo sich jedes Jahr Frauen mit den verschiedensten Hintergründen bei einem Netzwerktreffen begegnen und austauschen. Es gibt vor Ort und überregional noch viele andere Netzwerke, zum Beispiel von Fanprojektlerinnen sowie zum Thema sexualisierte Gewalt oder ein Netzwerk von Ultrafrauen, was halboffen ist. Hier vernetzen sich Frauen und supporten sich gegenseitig, eignen sich Skills an und haben eine gute Zeit miteinander. Beide genannten Netzwerke sind auch Teil unserer Ausstellung!

Welchen Beitrag können speziell Männer leisten, um Fußball für alle Menschen als attraktiven Sport zu gestalten?

Ich weiß nicht, ob sie einen spezielleren Beitrag leisten sollten oder können. Vermutlich ja, aber soll ja auch schon einige coole Männer geben, nicht?! Jeder Mensch sollte seine eigenen Werte und Prinzipien unter die Lupe nehmen und schauen, wo er*sie andere zurecht und wo zu Unrecht ausschließt, wo Räume geöffnet werden können. Jede*r kann seinen Mund aufmachen, wenn Scheiße geredet wird, Frauen supporten und sie nicht nur als potenzielle Partnerinnen oder als Personen sehen, die viel weniger schaffen. Jede Person kann auch in unsere Ausstellung gehen und diese unterstützen, nachdenken, handeln, sich verändern und über den Tellerrand gucken. Leichter gesagt, als getan. Aber Veränderung startet nun einmal im eigenen Kopf!

© Elena Moskau

Was ist dein nächstes Projekt? Sitzt ihr als Team schon am nächsten Ausstellungsprojekt?

Ich sitze an den Vorbereitungen für die F_in Konferenz, die dieses Jahr vom 05. bis 07. Juni in Berlin stattfindet. Da gibt es Vorträge, Workshops, Podiumsdiskussionen und vieles mehr zum Thema Fußball, Geschlecht und Vielfalt. Als Team planen wir gerade eine internationale Tour, da wir bisher eigentlich nur im deutschsprachigen Raum herumgekommen sind. Eine weitere Ausstellung zu machen ist ganz schön viel Arbeit. Vor allem, wenn mensch parallel noch eine am Laufen hat. Ich würde es natürlich sehr spannend finden, auf Fanfrauen weltweit zu schauen. Aber mich beschäftigt gerade zum Beispiel auch, dass Werder möglichst nicht absteigt. Ich bin ja auch nur ein Mensch…

Liebe Antje, wir danken dir für das Gespräch und für deine Arbeit. Alles Gute!

© Sabrina Adeline Nagel