„Die Schneekönigin“ nach Hans-Christian Andersen im Opernhaus

Draußen auf dem Breiten Weg glitzert und rieselt es. Und auch auf der Bühne des Opernhauses hat der Winter Einhalt gefunden. Seit dem 29. November wird „Die Schneekönigin“ als fantasievolles Weihnachtsmärchen gezeigt. Wir haben uns mit Luise Hart, die in der Inszenierung u.a. die Rolle der Gerda spielt, und mit Bastian Lomsché, der für die Überschreibung des Märchens verantwortlich ist, getroffen und uns über die neuste Schauspielproduktion unterhalten.

v.l.n.r. Michael Ruchter, Sophia Vogel, Oktay Önder, Luise Hart_Foto: © Katrin Ribbe

1844 veröffentlichte der dänische Dichter Hans-Christian Andersen mit „Die Schneekönigin“ eines seiner bekanntesten Kunstmärchen. Die Geschichte der kleinen Gerda, die aufbricht, um ihren besten Freund Kay aus den Fängen der Schneekönigin zu befreien und unterwegs auf zahlreiche Hindernisse wie auch Weggefährt:innen trifft, wurde mehrfach verfilmt und für die Bühne adaptiert. Nun wird die Abenteuergeschichte auf der Bühne des Magdeburger Opernhauses für ein Publikum ab 6 Jahren gezeigt. Aber warum nun gerade „Die Schneekönigin“? Bastian berichtet uns, dass nach einem poetischen Stoff gesucht wurde, einem bekannten Titel, der bereits Assoziationen in den Köpfen hervorruft und eine Geschichte mit einer möglichst weiblichen Protagonistin. Regisseurin Clara Weyde und Kostümbildner Clemens Leander, die zusammen mit Bastian Lomsché seit dieser Spielzeit die neue Schauspieldirektion bilden, sind beim Auswahlprozess schnell bei Andersens Märchen hängengeblieben, lassen sich damit doch fantastische Welten erzählen und viel mit Kostüm und Bühne (Andreas Freichels) arbeiten. So kommt die Drehbühne zum Einsatz. Auf ihr ein pyramidenartiges Holzgestell, das in Blitzesschnelle in die Räuberschlucht oder eine Schneelandschaft verwandelt werden kann.

Aber auch inhaltlich wird der Kern der Geschichte, die innige Freundschaft zwischen Gerda und Kay, nie an Aktualität verlieren. Die Freundschaft zwischen den beiden Protagonist:innen berührt auch heute noch und kann uns daran erinnern, wie wohltuend und wichtig Freundschaften sind und dass es sich lohnt, trotz Ängste vor Enttäuschungen und Verlusten sowie einer ungewissen Zukunft sich Freundschaften und einander gegenüber zu öffnen. „Ich glaube“, so Bastian, „je negativer die Zeiten wahrgenommen werden, in denen wir leben, desto wichtiger sind solche Dinge wie Freundschaft oder Zusammenhalt“. Angesichts der aktuellen Notstände, Kriege, Pandemien und dem zunehmenden Hass und Extremismus eine umso eindringliche und einfühlsame Geschichte.

    „Spinnenbeine, Regenwürmer und noch mehr. Das sind die Zutaten für unsre Freundschaft“ (aus dem Freundschaftslied)

Für die Magdeburger Inszenierung wurden die einzelnen Figuren und ihre Motive stärker herausgearbeitet. Zugleich wurde sich für eine an das junge Publikum gerichtete modernere und vereinfachte Erzählweise entschieden. Eine besondere Bedeutung nehmen die Eiskobolde in dieser Inszenierung ein. Sie gestalten die Welt um Gerda, Kay und der Schneekönigin und treiben die Handlung voran. Ein echter Leckerbissen der Produktion ist die Musik. Der Komponist und Musiker Thomas Leboeg schrieb eigens für das Weihnachtsmärchen sechs Songs, die ins Ohr gehen und dort nicht wieder hinauswollen. Die Eiskobolde rappen, Gerda und Kay finden in ihrem Freundschaftslied herzerwärmende und schon poetische Worte füreinander und spätestens beim Schluss-Song Unsere Reise ist jetzt zu Ende, ist doch klar sollte doch mehr als nur der Fuß mitwippen. Die Songs inklusive der Texte können über den YouTube-Account des Theater Magdeburgs jederzeit und kostenlos (in Dauerschleife) angehört werden.

v.l.n.r. Lorenz Krieger, Luise Hart, Carmen Steinert, Oktay Önder_Foto: © Katrin Ribbe

Für die Besetzung wurde aus den eigenen Ensemblereihen geschöpft. In der Titelrolle spielt Oktay Önder, der neben seiner Schauspieltätigkeit auch als Tänzer und Choreograph aktiv ist. Seine Figur der Schneekönigin verkörpert das Böse in der Geschichte, bleibt sie doch etwas ambivalent, nicht wirklich in Kategorien wie Mensch oder Tier, Frau oder Mann greifbar. Vielmehr ist sie ein altes Wesen, dem eine besondere Macht und ein gewisser Zauber innewohnt. Der Schneekönigin gegenüber stehen die Freund:innen Gerda und Kay. Die Rolle der Gerda wird von der gebürtigen Berlinerin Luise Hart gespielt, die in dieser Spielzeit ihr Erstengagement am Theater Magdeburg antritt und zusammen mit Oktay Önder bereits im Schauspielhaus in „Mr Gum und der sprechende Kirschbaum“ Premiere feierte. Gerda ist für Luise ein Durch-den-Bauch-geh-Typ, eine Person, die ihrem Bauchgefühl nachgeht, die durchsetzungsfähig, auch mal impulsiv und mal kämpferisch und laut ist. Regisseurin und Schauspielerin war es wichtig, Gerda, ihre Beweggründe und Entscheidungen so menschlich und greifbar wie möglich verkörpert zu wissen, weniger pur und erhaben, wie sich die Originalfassung lesen lässt.

Und dann ist da noch Kay, gespielt von Lorenz Krieger. Gerda und Kay verbindet eine starke Freundschaft. Eine von der Sorte, bei der man sich aufeinander verlassen kann, Verschiedenheiten ausleben kann und aufeinander aufpasst. Als Kay von den Splittern des Zauberspiegels der bösen Eiskobolde getroffen wird und verschwindet, bricht das Gerdas Herz und dennoch gibt sie nicht auf, sondern begibt sich auf eine gefährliche Reise, um ihren Freund zu retten. Auf die Frage hin, ob es solche innigen Freundschaften auch außerhalb von Märchen und Theaterbühnen gäbe, zögert Luise keine Sekunde: „Ja, da bin ich mir ganz sicher!“

In den weiteren Rollen sind Carmen Steinert (Nebelkrähe Charly u.a.), Sophia Vogel (Räubermädchen und Lichthexe u.a.) und Michael Ruchter (Räuberhauptmann u.a.) zu erleben. Die Proben für das Weihnachtsmärchen begannen Mitte Oktober und liefen ohne bemerkenswerte Krankheitsausfälle ab. Besonders die Ernsthaftigkeit, mit der man sich während der Proben dem Stück annäherte, hebt Luise hervor. Es dürfe keine Rolle spielen, dass die Geschichte vordergründig einem jungem Publikum gezeigt werde, denn auch dieses verdient es, gleichviel Professionalität und Respekt entgegen gebracht zu werden wie Erwachsenen. Zumal die Kinder den Spielenden sehr direkt und unmittelbar zu verstehen geben, was sie von bestimmten Figuren und ihrem Verhalten halten. Da wird schon mal das Räubermädchen ausgebuht, wenn es versucht, Gerda die Haare abzuschneiden oder zum Schluss fleißig mitgesungen, wenn Gerda und Kay wieder zusammenfinden (Spoiler: natürlich, es gibt ein Happy End). Und das mache jede Vorstellung so einzigartig, wenn das junge Publikum nicht nur mit Freude und Staunen an dem Stück teilnimmt, sondern sich in die Figuren einfühlen, sich für sie stark machen und sich äußern kann. „Kinder erobern dieses Haus, da liegen Berge von Schultaschen herum und da wird geschrien und da ist Action und dann herein und wo sitzt man und sie klatschen ja, wenn der Vorhang aufgeht!“, schildert Bastian das Publikumsgeschehen enthusiastisch. Es entstehe eine ganz andere und schöne Art der Innbesitznahme dieses Ortes, voller Energie und Vorstellungskraft. Aber eben besteht auch die Einladung an das jung gebliebene Publikum, dem eigenen inneren Kind Raum zu geben und miteinzustimmen.

    „Freundschaft gibt und Wärme, jeder Tag ist dafür ein Beweis.
    Freundschaft, wie die Sterne, so unendlich weit und glühend heiß.“ (aus dem Freundschaftslied)

Die Premiere fand am Dienstag, den 29. November vor ausverkauftem Haus statt. Seitdem wurden mehrere Tage die Woche die ganze Adventszeit über bis zu zwei Vorstellungen am Tag gespielt. Eine Meisterleistung, wenn man bedenkt, dass die sechs Darsteller:innen während einer Vorstellung mehrere Rollen spielen und singen, Kostüme wechseln und verschiedene Umbauten auf der Bühne vornehmen. Aber auch das Ensemble des Weihnachtsmärchens bleibt von der angespannten Erkrankungssituation und Ausfällen nicht verschont. Dank Zweitbesetzungen für jede Figur und schnellstes Reagieren und Umplanen konnten die meisten Vorstellungen bislang am Laufen gehalten werden (wofür sich das Theater kräftig auf die Schultern klopfen kann).

v.l.n.r. Carmen Steinert, Lorenz Krieger, Luise Hart_Foto: © Katrin Ribbe

In diesem Jahr wird „Die Schneekönigin“ noch einmal am 25. Dezember um 10 Uhr gezeigt. Für 2023 sind drei weitere Vorstellungen, einmal am 06. Januar um 10 Uhr sowie am 16. Januar um 9 Uhr und 11 Uhr angesetzt. Für die meisten Vorstellungen sind nur noch Restkarten erhältlich. Tipp: Spontan an der Vorstellungskasse nachfragen, da durch Krankheitsfälle immer wieder Plätze frei werden.

Dem ganzen Ensemble bleiben für die verbleibenden Vorstellungen viel Gesundheit und begeisterte Zuschauer:innen zu wünschen übrig. „Kommt ins Theater Magdeburg!“ – ruft Luise ins Mikrofron und wer sich von einer spannenden Freundschaftsgeschichte einmal richtig erwärmen lassen möchte oder noch auf der Suche nach einem spaßigen Programmtipp ist, dem sei „Die Schneekönigin“ ans Herz gelegt.

Alle Informationen zum Stück, den Spielterminen sowie zu weiteren über die Weihnachtszeit und dem Jahreswechsel gezeigten Produktionen findet ihr auf der Website des Theater Magdeburgs.