Foto: Andreas Lander

Cabaret hat sich vor allem durch den Film mit Liza Minelli in der Hauptrolle zu einem Klassiker der Bühne entwickelt. Hoch an der Zeit, dass ich mir das Musical ansehe. Premiere im Opernhaus.

Willkommen!

Bienvenue!

Welcome!

Ein Conférencier (Adrian Becker), dessen Erscheinungsbild an Frank N. Furter aus der Rocky Horror Picture Show erinnert, begrüßt das Publikum und führt lasziv durch den Abend. Wir befinden uns im Berlin der Dreißiger Jahre. Nachtklubs sind beliebt, überall blinkt Leuchtreklame für UFA, Odol oder den Admiralspalast und die weltoffene Stadt lockt Menschen aus aller Welt an. Unter ihnen befindet sich Cliff Bradshaw (Oliver Morschel), ein amerikanischer Schriftsteller, der sich mit Englischunterricht gegen Bezahlung über Wasser hält. Im Kit-Kat-Klub lernt er die Tänzerin Sally Bowles (Anna Preckeler) kennen. Sie verlieben sich, trinken Prärieaustern (Ei, Worcestersauce, Salz) und schließlich wird sie schwanger. Doch nur scheinbar hat sie sich für ein Leben in familiärer Idylle und gegen die Faszination des Nachtklubs entschieden. Zeitgleich mit dem jungen Paar finden auch die Pensionseignerin Fräulein Schneider (Ks. Undine Dreißig) und Herr Schultz (Peter Wittig), Betreiber eines Obstgeschäfts am Nollendorfplatz, zusammen. All das wird klangvoll umspielt von der Magdeburgischen Philharmonie unter der Leitung von Damian Omansen.

Die Inszenierung beeindruckt durch eine Kälte der Atmosphäre. Trotzdem das Bühnenbild erstaunliche Wandlungsfähigkeit demonstriert, die Szenen in der Pension gemütlich gestaltet sind und die Episoden im Kit-Kat-Klub illuster, entwickelt sich nur wenig Wohlgefühl. Die Niederträchtigkeit, Ignoranz, Emotionslosigkeit, Kompromisslosigkeit der NSDAP, die zu Beginn der 30er Jahren immer mehr Menschen in ihren Bann zieht, ist deutlich spürbar und der Wandel der Gesellschaft Stück für Stück sichtbar. Eine der beklemmendsten Szenen entstammt der Verlobungsfeier von Fräulein Schneider und Herrn Schultz. Alle Freund*innen sind geladen, die Stimmung ist ausgelassen, bis der glückliche Bräutigam ein jüdisches Lied intoniert. Die Gäste offenbaren im Laufe des Liedes ihre Zugehörigkeit zum Nationalsozialismus und aggressiv verändert sich der Ton der Inszenierung, außerdem wird die Unbehaglichkeit nun offensichtlich und nicht mehr nur unterbewusst transportiert.

Sebastian Ritschel (Regie/Bühne/Kostüme) schafft es mit seinem Team, die Bedrohlichkeit der Zeit und die Anwesenheit einer ausgrenzenden Gesellschaft, den Zuschauenden spürbar zu vermitteln. Das Bühnen-Berlin wirkt bunt, aber eher durch die Beschreibungen Cliffs/Sallys oder die partielle Dreisprachigkeit (Deutsch, Französisch, Englisch) in den Liedern und nicht durch das Bild. Was das Publikum erblickt, ist im Großen und Ganzen eine vielfältige Variation von grau, braun bzw. beige mit viel Glitzer sowie Bodennebel. Bereits zu Beginn erahnt der*die aufmerksame Zuschauende, wo die Reise hingeht, da der Conférencier in einen schwarzen Ledermantel gekleidet, den Abend eröffnet. Er trägt eine weiße Weste sinnbildlich für seine Unschuld an den Ereignissen, doch nimmt er stets Anteil an den Schicksalen der Protagonist*innen und gibt dem Publikum zum Abschied einen guten Rat mit auf den Heimweg:

Wehret den Anfängen.