Ihr habt vor ein paar Wochen einen Spendenaufruf gestartet. Was hat es damit auf sich?

Es geht um Digitalisierung unserer Filmvorführungen im Moritzhof. Bisher haben wir Filme auf 35mm-Film gezeigt, aber das gibt es so gut wie nicht mehr. Neue Filme bekommt man so gut wie nicht mehr auf 35mm, und wenn dann nur als Kopie der digitalen Produktion. Dadurch können wir 35mm-Kopien nicht mehr zeigen, müssen also auf ein neues Medium ausweichen, das ist DCP, also Digital Computer Package.

Das ist im weitesten Sinne eine Art sehr viel bessere BluRay. Eine Art Festplatte, auf der der Film komplett drauf ist und das ist notwendig, um Kinobetrieb überhaupt weiter aufrechterhalten zu können. Man kann auch von BluRay abspielen, aber mal unter uns, wer will denn von BluRay Kino sehen, das kann man auch im Heimkino machen. Darum gings.

Wir haben erstmal eine preisgünstige Version gesucht. In Thüringen haben wir jemanden gefunden, der einfach Computer-Tower dafür nutzt und ein Open-Source-System baut. Doch die Verleiher bieten ihre Kopien nur kompatibel für 1-2 geschlossene Systeme an, und dadurch müssen wir uns eines dieser teureren Systeme zulegen. Dafür haben wir einen Antrag gestellt.

Der wurde dann zum Glück sofort bewilligt, aber die Bedingung war, dass wir das System sofort kaufen und installieren müssen – und die Förderung wäre nur für die Hälfte der Kosten. Insgesamt kostet alles, inklusive Soundanlage, knapp 60.000 Euro. Die Hälfte, also 30.000, bekommen wir gefördert. Für die andere Hälfte konnten wir bereits 11.000 Euro sammeln, uns fehlen also noch 19.000 Euro, damit wir das endgültig bezahlen können.

Ich hab irgendwo gelesen, dass ihr 55.000 Euro braucht. Das ist extrem viel. Was kauft ihr davon, was stattet ihr davon aus?

Das ist nur für einen Saal, für unser Stallkino. Dort haben wir bereits einen entsprechenden Beamer, den wir für diesen Player nutzen können. Das ist es dann eigentlich schon. Dann kommt noch eine entsprechende Soundanlage dazu, die man draufrechnen muss.

Richtig, das ist natürlich eine enorme Summe, aber es gibt eben nur zwei Firmen in Deutschland, quasi ein Duopol, welche von den Filmverleihern unterstützt werden. Doch dann haben wir am Ende die selbe Technik wie die großen Kinos.

Du meintest, dass ihr glücklicherweise eine Förderung bekommen habt. Kam diese von der Stadt?

Nein nein, das kommt aus der Staatskanzlei, konkret den Töpfen für die Filmwirtschaft. Ziel ist es, dass alle Kinos umrüsten sollen, daher hat die Filmwirtschaft mit den Ländern entsprechende Förderprogramme für kleinere Kinos aufgesetzt. Da werden normalerweise 75% der notwendigen Summe gefördert.

Unser Problem war aber, dass wir bis letztes Jahr keine Fußbodenheizung in der Scheune hatten und sie daher nur bis September als Kino genutzt haben. Das konnten wir dank der Stiftung Denkmalschutz nun ändern. Entsprechend hatten wir bei der Besucherstatistik zwar gute Zahlen, aber auf das ganze Jahr gerechnet zu wenig, um die volle Förderung zu erhalten. Das konnten wir auch durch die anderen beiden Säle nicht ausgleichen, da die Scheune so groß ist. Hinzu kommt die regelmäßige Nutzung auch als Konzertsaal.

Das wir jetzt überhaupt Mittel erhalten ist eher Glück, denn das sind nur Restmittel, die andere Kinos nicht abgerufen haben. Immerhin. Sonst hätten wir alles selbst finanzieren müssen.

Mit der Summe stattet ihr aber nur den Stall aus?

Ja. Wir hatten bereits zwei der günstigen OpenSource-Systeme gekauft. Zusammen mit dem teureren System haben wir dann alle drei Säle digital ausgestattet. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass wir in der Scheune und unterm Dach nicht alle Filme zeigen können, da nicht alle Independent-Firmen das alternative System beliefern. Doch gerade kleine Kinos haben sich solch ein System zugelegt, da sie sich ein großes nicht leisten können.

Vor Kurzem gab es ja einen kleinen Skandal um „Age of Ultron“. Da haben sich einige Dorf- und Kleinstadtkinos einfach geweigert, den Film zu zeigen, weil Disney mehr Geld haben will. Bisher war es so, dass bis etwa 50.000 Einwohner nur 47% der Einnahmen an Disney gingen, jetzt müssen sie 55% geben. Entsprechend müssen sie die Kosten an ihre Besucher weiterreichen. Das ist auch für die kleinen Kinobetreiber so nicht machbar. Da sieht man, dass die großen Major-Firmen jetzt auch drücken und pressen.

Wir hatten gehofft, dass sich durch DCP die Verfügbarkeit ändert, aber das war ein Irrtum. Genau wie früher bei den 35mm-Rollen werden auch heute nur wenige Kopien gemacht und Magdeburg war schon immer eine Stadt, die erst an zweiter oder dritter Stelle kommt. Wenn also ein Independent-Film mit dreißig Kopien startet, dann kriegen das erstmal alle Großstädte. Und irgendwann kommen die Kopien dann nach Magdeburg, wenn sie woanders nicht mehr laufen. Daran hat DCP auch nichts geändert, obwohl das ja einfach nur beschreibbare Festplatten sind. Das ist natürlich völliger Humbug.

Der eigentliche Sinn des Systems wäre ja gewesen, dass alle Kinos das sofort bekommen. Aber für ‚Age of Ultron’ werden wahrscheinlich 1000 Festplatten hergestellt, die man dann um die Ohren gehauen bekommt, und für alle anderen nur 20 oder 30. Manche Verleiher stellen sogar nur 4-5 DCPs her, was bedauerlich ist.

Wie sieht es denn mit der Digitalisierung der anderen Kinos in Mageburg aus, z.B. dem Studiokino und dem OLi?

Das Studiokino hat die Digitalisierung schon recht früh bekommen, da die ja nur einen Saal haben. Das ist natürlich sehr schön, da sie ja auch ein wunderbares Kinoprogramm anbieten. Das OLi ist ja im engeren Sinne kein reguläres Kino. Die machen ein hübsches kleines Programm, aber zeigen eben nur von BluRay oder DVD und sind daher von der Thematik nicht betroffen.

Viele kleine andere Kinos im Land haben das nun auch hinter sich oder sind gerade dabei. In Aschersleben haben sie schon sehr früh digitalisiert, dann auch direkt in 3D. Die sind allerdings ein kommerziell betriebenes Kino, obwohl es ein Einzelunternehmen ist, entsprechend haben die ihr festes Publikum. Doch sie sind auch von dieser Disney-Sache betroffen, denn sie sind durch die Finanzierung abhängig von den Filmfirmen. Die Filmfirmen machen Druck bei den Einnahmen und die können nicht anders, da sie die Digitalisierung noch abbezahlen müssen, was wirklich ein Problem ist.

Generell ist die Digitalisierung für die Landschaft der kleinen, unabhängigen Kinos eine große Herausforderung, und das, obwohl es nur ein Übergang ist. Mittlerweile kommen die Filme ja auch schon in entsprechender Qualität via Stream. Die unmittelbare Zukunft wird vermutlich sogar der Livestream eines Films sein. Im Cinemaxx in Magdeburg ist es bspw. so, dass die Filme zwar hier abgespielt, aber von Hamburg aus zentral gesteuert werden. Das ist schon schräg, dass die dann erst in Hamburg anrufen müssen, wenn was nicht läuft.

In Zukunft werden die Filmfirmen neue Distributionswege erschließen und dann läuft es vermutlich parallel, also man kriegt den Stream direkt nach Hause und ins Kino. Steven Soderbergh hat das in den USA schon mit einem Film probiert. Zwar machen da einige Kinos nicht mit, aber das Kino wird dadurch mehr zu einem Eventort. Man trifft sich mit Freunden, um einen Film gemeinsam zu sehen und nicht allein daheim. Einige Filme funktionieren eben nur auf wirklich großer Leinwand und mit Publikum.

Du meintest, dass noch 19.000 Euro der Finanzierung offen sind. Was passiert, wenn ihr das Geld nicht zusammen bekommt?

Dann werden wir die Anlage irgendwie zurückgeben müssen. Wir werden sehen, dass wir es zusammenkriegen. Bisher haben wir es aus Mitteln bezahlt, die wir für anderes zurückgelegt hatten. Und das müssen wir nun refinanzieren und dabei hoffen, dass wir genug Spenden reinkriegen. Das ist zwar problematisch, aber der Verein ist nicht gefährdet.

Man könnte natürlich den Preis erhöhen, wie das viele Kinounternehmen gemacht haben, aber das wollen wir nicht. Wir sind mit 5 und 4 Euro zugegebener Weise günstig. Aber das ist auch ein Argument für die Leute ins Kino zu gehen. Hier kann sich’s jeder noch leisten. Es wird niemand wegen Geld hier ausgeschlossen und das soll auch in Zukunft so bleiben.

Unser Ziel ist es, auch mit großen Unternehmen aus Magdeburg zu sprechen. Vielleicht machen wir doch ein wenig Werbung vor der Vorführung. Wir arbeiten an solchen Möglichkeiten, um Geld hineinzubekommen.

Gäbe es die Möglichkeit, von Seite der Stadt unterstützt zu werden?

Nein. Dr. Puhle, der neue Stadtbeigeordnete für Kultur, war neulich zum ersten Mal auf dem Hof zu Besuch. Wir hatten ein schönes Gespräch, aber die Botschaft war klar: das ist alles ganz toll und großartig, was bei uns auf dem Hof passiert, aber das Geld ist knapp. Da gibt es schon gar kein Geld für Kinodigitalisierung.

Das ist eigentlich schade, denn Magdeburg hat etwas nicht, was viele andere Städte haben: ein kommunales Kino. Wir zeigen nun mal sehr viel Filme, die in diesen Bereich reingehen. Da wissen wir, dass die Zuschauerzahlen sich in Grenzen halten, es aber gerade für ein Publikum interessant ist, das sich für Film interessiert. Da sind bestimmte Sachen wie Dokumentarfilme dabei, aber auch Spielfilme, von denen wir wissen, dass es kluges, gutes, intelligentes Kino ist, das man sehen muss, auch auf großer Leinwand, was sonst nur kommunale Kinos zeigen würden.

Wenn wir wieder Polnische, Spanische oder Französische Filmtage haben, dann zeigen wir Filme, die sonst ein kommunales Kino zeigen würde. Das übernehmen wir hier in Magdeburg, denn für die Stadt hat Filmkultur eben keine große finanzielle Relevanz.

Gibt es eigentlich Kriterien, warum eine Stadt sagt, dass sie ein kommunales Kino braucht?

Es liegt vor allem am Interesse, insbesondere am persönlichen Interesse der Entscheider. In Hannover, wo ich herkomme, gab es eine sehr starke Programmkino-Landschaft, u.a. betrieben durch den späteren Cinemaxx-Gründer. Dennoch gab es ein kommunales Kino, von der Stadt gewollt. Die zeigten dann auch ganz exotische Sachen, die mir damals gar nicht so bewusst waren. Und die Stadt wollte das haben, denn sie waren stolz darauf, dass man auch sowas mal einem Publikum zeigen kann.

Und da findet sich Publikum. Nehmen wir die aktuelle Flüchtlingsdebatte – auch in den Ländern aus denen Menschen fliehen, gibt es Kino. Bspw. gibt es in Ägypten, Iran oder Marokko eine Filmszene, die man ernstnehmen kann. Es ist natürlich schwer, da ran zu kommen – aber das ist etwas, was kommunale Kinos leisten können.

Oder alte Technik: der 35-mm-Projektor steht immer noch da, und ich würde gern mal Filme aus dem Filmmuseum zeigen. Dieses Jahr hat Fritz Lang z.B. seinen 125. Geburtstag, da könnte man eine tolle Filmreihe drauß machen – nur, wer geht da hin? Jeder kennt noch Metropolis und Die Nibelungen. Es gibt die amerikanischen Filme aus den 40/50ern, die später dann stilbildend für die Nouvelle Vague waren. Jedoch sind die Kosten immens, gerade für restaurierte Filme aus dem Filmmuseum. Nicht-restauriert kommt nicht in Frage, da könnte ich auch auf meine Hand schauen. Und sowas kann man nur mit einer Förderung realisieren.

In Städten in denen es Filmmuseen gibt, die dann direkt noch ein kleines Kino angeschlossen haben, da geht das natürlich. Oder es gibt Freaks, so Sammler von 35-mm-Rollen. Wir hatten hier mal ein Sammlertreffen auf dem Hof und da haben wir extreme Fanfilme gezeigt, italienischer Trash und Nischen-Zombie-Filme – für Fans der Hammer. Sowas bekommst du aber auch nirgends zu sehen, denn die Sammler bringen dann teilweise die letzte überlebende Kopie dieses Films mit.

Aber wäre dann nicht gerade für sowas die Digitalisierung ein Vorteil?

Das wäre natürlich der Traum, dass sowas dann alles via DCP vertrieben wird. Doch dafür muss der Film ja auch erstmal gescannt und dann wirklich digitalisiert werden. In Deutschland verrotten pro Tag hunderttausende Filmmeter für die Ewigkeit.

In Frankreich gibt es eine 9-stellige Förderung zum Erhalt von Filmrollen. In Deutschland gibt es 1-2 Millionen, davon kann man 15-20 Filme digitalisieren. Die Jahresproduktion, auch damals, lag schon bei einigen hundert Filmen. Dann dauert es natürlich. Und gerade bei Filmen aus den 20er/30er Jahren sind nur noch kleine Reste eines Films übrig.

Paradox, wenn man sich überlegt, was bei großen Blockbuster-Produktionen abfällt…

Naja, die Filmfirmen müssen ja auch wenig zahlen, was dann in die Filmförderung zurückfließt. Aber der Erhalt, der z.B. in Frankreich und den USA ein fester Bestandteil ist, das ist in Deutschland noch nicht angekommen.

Es ändert sich gerade was. Die Filmwissenschaften schauen sich nicht nur mehr Arthouse an, sondern kümmern sich auch um das Genrekino. Fritz Lang als Beispiel: der war ein klassischer Vertreter des Genrekino und wurde erst im Nachhinein als Kunstkino wahrgenommen.

Und eins der größten Filmarchive, das man hat, ist das von Leo Kirch. Und, dass der dann pleite ging, war aus dieser Perspektive auch schade, denn er war einer der ersten, der anfing, intensiv zu digitalisieren – und sei es nur für sein Abspielnetzwerk, aber eben alles ohne Förderung.

Doch heute geht immer mehr verloren. Wenn man sich überlegt, was da übrig ist und mal auf DVD erhältlich ist oder gar DCP – wenig, wenig, wenig. Die Summen, die da vom Staat oder von Stiftungen hergegeben werden, sind so absurd wenig. Bald sind die Sachen einfach weg.

Aber die grundsätzliche Frage ist: Kultur, wo fängt sie an, wo hört sie auf. Bei der Musik wird es auch so kommen – da wird man sich irgendwann fragen “Warum haben wir das nicht gesichert”. Die Medien verfallen, die Abspielmöglichkeiten wird es bald nicht mehr geben – es gibt kein Speichermedium, was mehrere hundert Jahre hält. Darum müssen wir immer wieder kopieren und dabei geht immer ein Teil verloren, den irgendjemand aus irgendwelchen Gründen für unwichtig hält.

Beispielsweise gibt es kaum noch alte Fernsehfilme aus den 60ern. Entweder wurden die Bänder überspielt oder es gibt die Geräte nicht mehr, aber wenn man sich alte Serien anschaut, da sind einfach auch viele Folgen endgültig verloren. Die erste Staffel von “Mit Schirm, Charme und Melone” ist weg, bis auf 3-4 Folgen.

Und gleichzeitig haben wir durch die Digitalisierung und Streaming das Gefühl, alle Filme jederzeit zur Verfügung zu haben…

Ja, und das ist das Tolle. Ich bin auch großer YouTube-Fan, denn man kann sich vorher einen Eindruck von einem Film machen; oder viele Filme sind nur auf YouTube verfügbar. Eigentlich wäre es eine ideale Welt – wir könnten alles in die Cloud werfen und dann ist es für alle für immer da. Aber es passiert nicht.

Es sind ja noch nicht mal alle Filme digital erhältlich, die auf Video erschienen sind. Sicherlich, nicht bei allen ein Verlust. Aber was anderes gibt es nicht mehr. Es gab nie eine Filmrolle, Video verrottet, Rechte liegen sonstwo und die Firmen haben dann eventuell kein Interesse an der Digitalisierung. Wenn sich das damals schon nicht gut verkauft hat, warum sollte es dann in der Zukunft?

Es geht also tatsächlich viel verloren, besonders das Haptische, auch die Geräusche.

Die Magdeboogie-Community ist relativ jung und kulturaffin. Was könnten wir tun, um euch zu helfen?

Ins Kino gehen! Sucht euch einen Film im Programm raus und kommt her. Natürlich, spendet alle! Gebt uns euer Geld: überschreibt uns eure Häuser, verkauft eure Eltern und gebt uns das Geld! Nein, wir freuen uns auch, wenn ihr spendet, aber ich weiß, dass keiner das Geld üppig hat.

Unser Ziel ist es, dass wir ein Programm machen, das sich an alle Gruppen richtet. Wenn ihr euch das anschaut, dann können wir das auch irgendwie stemmen. Und je mehr kommen, desto besser. Ich will auch nicht jammern, und sagen, dass alles immer schlimm ist. So schlimm ist es gar nicht. Wichtig ist, dass die Leute kommen, denn dafür machen wir das Programm ja: für euch, für alle!

Wenn die Leute nicht kommen, dann wird es schwierig. Daher kann ich nur hoffen, dass unser Programm die Qualität hat und die Leute, gerade auch eure Community, sagen „Och, heute nicht zur Party, sondern wir gucken mal wieder Kino.“