„Aber meine liebe Effi, wir müssen vorsichtig im Leben sein, und zumal wir Frauen.“ (Auszug aus Effi Briest, Kapitel 4)
Das Schauspielhaus setzt mit Effibody’s Darling auf eine moderne Überschreibung der Novelle Effi Briest von Theodor Fontane. Die Solo-Performance mit Isabel Will in der Hauptrolle ist seit dem 3. Oktober 2024 im Magdeburger Schauspielhaus zu erleben.
Die Regisseurin Annette Müller hat für das Theater Magdeburg eine eigene Fassung geschrieben, die den Roman verdichtet und ihn aus der Perspektive von Effi erzählt. Hierfür setzt sie auf die Originaltexte und verknüpft sie mit Einspielern aus Verfilmungen und Musikstücken unbestrittener Popikonen, wie Charli xcx, Billie Eilish und Florence + the Machine.
Die Geschichte der jungen Frau, die mit dem 20 Jahre älteren Baron von Innstetten verheiratet wird und fortan den Pflichten und Ängsten in einer militaristischen Männergesellschaft ausgeliefert ist, entwickelt sich zu einer spannenden Reflexion um Rollenbilder und Geschlechtergerechtigkeit.
Die Inszenierung arbeitet heraus, wie sehr unser historisch gewachsenes und kulturell verankertes Verständnis von Geschlecht und Rollenbildern von überholten und gewaltsamen Vorstellungen einer patriarchalen Gesellschaft geprägt ist. Hierfür wird auf verschiedene feministische Diskurse und Kämpfe, etwa zu den Themen Mutterschaft und Kinderwunsch, Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt und in der Ehe als auch Hegemoniale Männlichkeiten, verwiesen. Die Verweise greifen zumeist sehr kurz und bleiben skizzenhaft. Eine sozio-historisch fundierte feministische Analyse bleibt leider in ihren Anfängen behaftet. Durchaus hätte man dem Publikum etwas mehr Input und Gesellschaftskritik zumuten können. Der Abend büßt daher an Schärfe und Tiefe ein.
Nichtsdestotrotz schafft die Aufführung insbesondere für junge Menschen einen ersten und wichtigen Anknüpfungspunkt für kritische Betrachtungen klassischer Literaturkanons und gesellschaftlicher Verhältnisse. Dies ist vor allem der Bühnengestaltung und der Schauspielkunst von Isabel Will zu verdanken. Sie verleihen der Aufführung Antrieb und Stärke.
Die Bühne gleicht einem Laufsteg. Das Aushängeschild einer Branche, in der Frauen bis heute auf ihren Körper und ihr Aussehen reduziert werden. Isabel Will erkundet und eignet sich diesen symbolisch aufgeladenen Raum an, sie taumelt und tänzelt, springt und stolziert auf ihm. Den Blicken des Publikums begegnet sie immer selbstsicherer, sie sucht sie und spielt mit ihnen. Alle Augen haften an ihren Lippen, lauschen ihrer Geschichte.
Isabel Will schafft es, die Bühne über die gesamte Stücklänge von etwa 80 Minuten hinweg mit ihrer unbändigen Energie und Präsenz zu füllen sowie bestens zu unterhalten. Spielerisch glaubhaft und nuanciert gibt sie die verträumte junge Frau, gleichermaßen wie nur wenige Minuten später die gebrochene Ehefrau und Mutter. Darüber hinaus schlüpft sie immer wieder in weitere Rollen und gibt sich als herrlich scharfsinnige Kommentatorin ihres eigenen Schicksals (und dessen aller anderen Figuren in diesem grausamen Spiel namens Patriarchat).
Wie löst man eine solche Geschichte geschickt auf? Indem man den Schluss einfach streicht! Über Generationen und Literaturwerke hinweg scheint der Ausgang einer Geschichte für Frauen im Patriarchat vorbestimmt zu sein. Sicher kann eine Theateraufführung dies nicht ändern, aber sie kann uns ermutigen und inspirieren, dies nicht länger schweigend hinzunehmen und gemeinsam und solidarisch unsere eigenen Zukünfte zu schreiben und zu leben.
Mit Effibody’s Darling hat das Magdeburger Schauspielhaus nicht zuletzt einen kurzweiligen und unterhaltsamen Abend vorgelegt, der dazu einlädt, sich den unausweichlichen Fragen nach der Aktualität und Relevanz der Geschichte Effi Briests und ihrer Rollenbilder zu stellen. Aber Achtung: Die Aufführung enthält Spuren feministischer Gesellschaftskritik!
Weitere Vorstellungstermine bis Dezember 2024: Dienstag, 29.10., Donnerstag, 05.12., Freitag, 06.12. und Freitag, 27.12., jeweils um 19.30 Uhr im Kasino des Schauspielhauses Magdeburg.
Alle weiteren Informationen zum Stück gibt es auf der Website des Theater Magdeburg.
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