Seit Menschengedenken existiert die Lust und das Begehren. Doch bis heute ist vor allem die weibliche Lust ein schambehaftetes Thema, über das die Wissenschaft nur wenig weiß und über das noch seltener gesprochen und aufgeklärt wird. Doch was kommt heraus, wenn sich 18 Autor*innen gemeinsam und anonym wochenlang über ein Online-Text-Dokument austauschen? Und zu den Themen weibliches Begehren, Sex und Alter ihren Gedanken freien Lauf lassen?

Das wollten die Schriftstellerinnen Julia Wolf, Verena Güntner und Elisabeth R. Hager herausfinden. Ihr dreiköpfiges Literatur-Kollektiv Liquid Center haben sie für dieses Experiment erweitert.

„Wir kommen“ ist ein feministischer Kollektivroman, welcher die Autor*innen aus verschiedensten Generationen und Herkünften zusammenbringt und diese schambefreit und offen über weibliche Lust und Sexualität schreiben. Die Mitglieder der Gruppe Liquid Center wollen mit „Wir kommen“ der Sprachlosigkeit ein Ende setzen und verdrängte weibliche Facetten der Lust und queerer Sexualität sichtbar machen. Um diese Sichtbarkeit zu schaffen und Aufklärung zu betreiben, fand am 28. Februar im Literaturhaus Magdeburg eine Lesung mit drei der Autor*innen statt.

Das Literaturhaus

Das Literaturhaus ist eine kulturelle Einrichtung, die sich für die Förderung und Bereicherung des literarischen Lebens in und um Magdeburg engagiert. Die Einrichtung hat sich zum Ziel gesetzt, Jung und Alt für die vielfältige Literatur in der Region Magdeburg und Sachsen-Anhalt, sowie deutschlandweit zu begeistern.

Angebote, wie Vorlesenachmittage, Lesungen, Ausstellungen und die Bereitstellung eines Archivs, sowie Bibliothek stellen vielfältige Möglichkeiten dar. Ebenso werden spezielle Kinderveranstaltungen angeboten, welche auch die jüngsten Leser*innen mit Freude für Literatur und Spaß an Bildung abholen sollen.

Julia Wolf, Elisabeth R. Hager und Caca Savić lasen abwechselnd einige Passagen aus dem Roman vor und plauderten angeregt über den Schreibprozess und darüber, wie nach sechs Wochen anonymen gemeinschaftlichen Schreibens eine vielfältige Sammlung an ehrlich ergreifenden Erfahrungen voller sinnlicher Poesie, nüchterner Sachlichkeit und frivolem Humor entstanden sei. Die Initiatorinnen waren sich dessen bewusst, dass Ihnen zum Teil auch Erlebnisse anvertraut wurden, über die die Autor*innen noch nie geschrieben haben. „Im Schutzmantel der Anonymität lässt man seine Hüllen fallen“, so Elisabeth R. Hager.

Und in diesem geschützten Raum geht es um Themen, wie Geburtsschmerzen, Masturbation, Menstruation und der Frage, ob man im Alter noch begehren darf. Aber auch um Inhalte über Gewaltdarstellungen und Schuld, welche bewusst im Buch veröffentlicht wurden. Der Kollektivroman zeigt dabei eine entwaffnende Verletzlichkeit und beleuchtet die Dinge, die sonst im Dunkeln liegen und in der Gesellschaft kaum sichtbar sind. Dazu gehören laut der Autor*innen gewollte Sexlosigkeit, die Scham für den eigenen Körper oder die Unsichtbarkeit der weiblichen Lust im Alter. Ebenso wird versucht ein Stigma aufzubrechen und Menschen zu vermitteln, dass „Da unten“ keine Bezeichnung für die weiblichen Geschlechtsorgane ist, während im selben Atemzug über die Periode aufgeklärt wird.

Den Mitwirkenden sei es wichtig den Leser*innen einen kleinen Denkanstoß zur Selbstreflexion zu offenbaren oder für einen neuen Blickwinkel auf die Welt.

So oder so, auch für die Autor*innen selbst war es eine lebensverändernde Reise.