Als eine der jüngsten Universitäten Deutschlands konnte die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg  im letzten Jahr auf ihr 25-jähriges Bestehen zurückblicken. Gegründet wurde sie 1993 durch den Zusammenschluss der Technischen Universität, der Pädagogischen Hochschule und der Medizinischen Akademie. Seitdem wandelt sich der Campus und das studentische Leben stetig. Vielen Menschen ist dies aber nicht bewusst, sie laufen nahezu täglich an Kunstobjekten und historischen Artefakten vorbei und trauen der Universität keine erzählenswerte Geschichte zu. Das hat der Magdeburger Glaskünstler Reginald Richter, der sich auch für die Glaskunst am Durchgang zur Fakultät für Elektrotechnik verantwortlich zeichnet, zum Anlass genommen, sich 2018 in einem Brief an die Universitätsleitung zu wenden. Darin äußert er den Wunsch, in Form einer Kustodie das Erbe zu erschließen, aufzuarbeiten und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Mit Kustodie ist eine Universitätssammlung gemeint, die historische Lehrmittel, Kunstbestände, Erfindungen und Nachlässe von Professor*innen bewahrt und verwaltet. Damit soll sowohl die institutionelle Geschichte beleuchtet als auch Auskunft darüber gegeben werden, wie sich Wissenschaft über Jahrzehnte und Jahrhunderte entwickelt hat. Das Anliegen wurde von der Leitung des neuen disziplinübergreifenden Studiengangs Cultural Engineering, Prof. Susanne Peters und Dr. Nora Pleßke, aufgegriffen und als studentisches Kustodie-Projekt ins Programm aufgenommen. Dr. Nora Pleßke, die eigentlich als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in den Anglistischen Kultur- und Literaturwissenschaften verankert ist, entwarf ein Konzept, wodurch die Studierenden das Projekt unter wissenschaftlicher Leitung gestalten, dadurch verschiedene Schlüsselkompetenzen erwerben und sich mit der eigenen Wissenschaftstradition auseinandersetzen können.

Im Wintersemester 2018/19 begann das erste Teilprojekt „Objektbiographien – 25 Jahre OVGU“. Mitunter aus Büroräumen und verstaubten Kellern suchten sich die Studierenden 25 Objekte aus dem Fundus der Universitätsgeschichte heraus und erforschten deren Geschichte. Dazu wurden Objektbiographien verfasst, die im Rahmen der Ausstellung „25 Jahre Otto-von-Guericke-Universität in Objekten“ vom 25. Mai bis 25. Juni in den Räumlichkeiten der Mensa gezeigt werden. Zur Langen Nacht der Wissenschaften am 25. Mai (SAVE THE DATE!) werden Führungen sowie Workshops angeboten und die Studierenden stehen bereit, ihre ganz eigenen Anekdoten zu erzählen, z.B. von der berühmten Amtskette oder von einem Objekt, das sogar im Weltall war…


„Für uns war es sehr interessant, festzustellen, wie viele verborgene Sachen überhaupt auf dem Campus schlummern“. Im Gespräch mit Lucy Weber, studentische Tutorin im Projekt, zeigt sich, dass die Auseinandersetzung mit den Objekten neue Blickwinkel geschaffen hat und Kunstobjekte, an denen man sonst einfach vorbeiging, nun bewusst als solche wahrgenommen werden. Darauf kommt auch Dr. Nora Pleßke zu sprechen. Schließlich geht es um Wertschätzung, sowohl der Objekte als auch der Menschen, ohne deren Erzählungen und Wissen als Zeitzeugen vieles nicht möglich gewesen wäre. Es geht zudem darum, Wert zu erhalten und zu schaffen, d.h. Objekte aufzuwerten, damit sie wieder in der Lehre eingesetzt werden können oder zumindest als Anregungen für neue Lehrformate dienen können. Beispielsweise wurde eine Sammlung von ungefähr 200 Lehrkarten aus der Geschichte vor der Aussonderung gerettet.
An der Begeisterung und dem Engagement der Menschen hat es nicht gemangelt, vielmehr sollte man nicht vergessen, dass es kaum eine Basis an Objekten und Informationen gab, auf denen gearbeitet werden konnte. Sprich, es wurde begonnen, die einzelnen Fakultäten anzuschreiben, ggf. Vorsichtungen vorzunehmen und sich die Informationen aus verschiedenen Quellen zusammenzusuchen und einzuordnen. Das brachte natürlich einige Herausforderungen mit sich, denen die Studierenden, so betont es Dr. Nora Pleßke, weitestgehend eigenständig, stets offen und neugierig entgegentraten. Um mit möglichst vielen verschiedenen Ansätzen und Perspektiven an die Aufgaben heranzutreten, sind Studierende aller Studiengänge und Fakultäten freundlichst aufgerufen, sich auch zukünftig an dem Projekt zu beteiligen. Wenn du Interesse bekommen hast, melde dich einfach bei Dr. Nora Pleßke per Mail unter nora.plesske@ovgu.de.

Im aktuellen Teilprojekt „Inszenierungen von Kunst auf dem Campus“ im Sommersemester wird der Schwerpunkt auf die unterschiedlichen Kunstsammlungen und Kunstobjekte der Universität gesetzt. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Kunst- und Kulturinitiativen der Stadt, wie dem Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen und dem Kunstverein derART, werden die Studierenden in Mini-Workshops für das Thema sensibilisiert und bekommen praktische Handhabungen vermittelt. Diese Zusammenarbeit soll die Studierenden ermutigen, Anschlussprojekte bzw. eigeninitiierte Teilprojekte zu konzipieren und durchzuführen, sodass langfristig eine nachhaltige Inventarisierung und Katalogisierung der Sammlung erfolgen kann. Erstrebenswert für die Zukunft wäre es, einen Raum zu schaffen, der weniger ein Universitätsmuseum ist, als vielmehr ein Austauschort zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft. Die Menschen sollen Einblicke in das Universitätsleben bekommen, Fragen stellen und so den Campus nicht länger als eine eigene Welt auffassen, die nur Studierenden vorbehalten ist. Denn die Universität ist ein Ort mit Geschichte und ein Ort der Vielfalt und Begegnung.

Fotos: Lucy Weber