Die Leute tummeln sich vor den Toren der Insel der Jugend. Auf ihrem Außendeck wartete heute Kunst der Extraklasse auf die Passagiere. Das Licht geht aus, Nebel steigt langsam auf, als die ersten Töne des Ensembles erklingen. Die jungen Musiker*innen paarten Telemanns klassische Musik mit freshen elektro Sounds. Die Körper bewegte sich im Takt während das Publikum immer weiter in ihren Bann gezogen wurde. Lauter Beifall und eine Standing Ovation drückten am Ende nur einen Teil der Bewunderung für diesen einzigartigen Abend aus.

Die Nacht bleibt heiß, doch die Drinks sind kalt

Machen zwischendurch auf einer Insel halt

April 2022

Magdeboogie: Wer seid ihr? 

Jonas: Ein Ensemble, dessen Musiker sich auf Barockmusik spezialisiert haben. Unser Instrumentarium ist so eingerichtet wie es damals (vor ca. 300 Jahren) war und unsere Spielweise versuchen wir ebenso dem nahezubringen, wie die Leute damals gespielt haben (anhand von Quellen in Schrift- und Bildform).
Hugo S.: Mein Name ist Hugo S. und ich bin deutschsprachiger Soulsänger.
Zacharias: Ich bin Musiker und Musikpädagoge. Ich bin von der Klassik über Jazz hin zur populären Musik gekommen. Mich interessieren inhaltlich vor allem Brückenschläge, ob im pädagogischen oder künstlerischen Bereich, letztendlich sind es soziale Brückenschläge. Entfernte Pole zusammenbringen, fremde Zutaten mischen, Neues probieren. Wir definieren uns in der Musik und stellen unsere Indentität in Bezug zueinander, respektvoll und optimistisch.

Magdeboogie: Ihr seid bunt gemischt, kommt aus ganz Deutschland, wie habt ihr zueinander gefunden?

Zacharias: Hugo S. und ich kennen uns über Puls MC, einen gemeinsamen Freund. Wir haben uns bei der Jam-Session Funkloch in der Heidelberger halle02 kennengelernt. Letztes Jahr haben wir dann eine live Session released und gerade arbeiten wir an der 2. EP von Hugo S. die im Sommer erscheinen soll. Jonas, Alex und Karl kennen sich schon aus Jugendzeiten von diversen Arbeitsphasen und Ensembles, vor allem Bachs Erben ist da glaube ich zu nennen. Im Laufe der Zeit sind sie ziemlich steil gegangen und inzwischen weltweit gefragt. Weil Jonas und ich Geschwister sind habe ich alles mehr oder weniger mitbekommen. Schon immer war auch von Alex und Karls Seite das Interesse an meinen Bandprojekten da. 2016 haben wir dann erstmals einen Remix von „La Notte“ von Vivaldi aufgeführt. Yoko und Jonas kennen sich aus Frankfurt, sie ist eine Multiinstrumentalistin und kommt irgendwie gut auf unsere Ideen klar. Die beiden sind seit ein paar Jahren ein Paar. Außerdem erwähnen muss ich Tobias, der unser Soundtechniker ist. Schon vor 10  Jahren haben wir zusammen an Tracks gebastelt. Sebastian, der das Licht macht ist außerdem Schlagzeuger und Akkordeonist. Wir spielen zu verschiedenen Anlässen regelmäßig zusammen.

Magdeboogie: Was ist die größte Herausforderung eurer Arbeit? 

Jonas: Die goldene Mitte zu finden zwischen: nicht zu flach, nicht zu verkopft. Mit dem tollen Team ist es jedoch eine Leichtigkeit kreativ zu sein und spannende neue Stücke zu produzieren.      
Zacharias: Die ganze Gruppe ist schon ein relativ großes Schiff. Da müssen wirklich alle mitspielen und mithelfen. Das klappt sehr gut weil wir uns alle gut ergänzen. Wir fahren ja quasi einfach auf die See drauf los nach Koordinaten, die für uns alle neu sind. Dass der Kurs auf Anhieb funktioniert und das Wetter so gut wird (auch im buchstäblichen Sinne in Magdeburg) hätten wir auch nicht wirklich gedacht. So konnten wir auch die ein oder andere Minute auf dem Sonnendeck der Insel der Jugend chillen.

Magdeboogie: Wann seid ihr das erste Mal im Rahmen eurer Arbeit mit elektronischer Musik in Kontakt gekommen? 

Jonas: 2016 
Zacharias: Genau, wir wurden für einen Kongress im Mozartsaal im Rosengarten in Mannheim angefragt. Vor der großen Bühne haben wir das Programm aber bei einem Hauskonzert erprobt. Ich selbst hatte kurz zuvor schon für die Modemarke Schumacher ein Programm für Flöte + DJ aufgeführt und kurz danach für das Kurpfälzische Kammerorchester und den Tänzer Mr. Quick die Musik für den gemeinsamen Auftritt beim Finale der Fernsehshow Supertalent arrangiert. Außerdem habe ich wenig später noch einen klassischen Remix mit einer Schulklasse an den elektronischen Instrumenten und Kammerorchester aufgeführt oder 2019 einen Remix von Piazzollas „Vuelvo al Sur“ in der klassischen Besetzung mit Bandoneon, Kontrabass, Klavier und Gesang (und Feuerwerk).

Magdeboogie: Wer oder was hat euch dazu inspiriert, Telemann elektronisch zu unterlegen/umzuschreiben? 

Jonas: Telemann selbst bzw. seine fantastischen Kompositionen. Sein ordentliches, simples, manchmal patternhaftes Komponieren lässt sich gut umwandeln. Eigentlich ist seine Musik auch eine Melange aus vielen Stilen, nur eben der damaligen Zeit. Ich bin mir sicher, dass ihm die neue Mischung, welche wir betreiben, selbst zugesprochen hätte, würde er jetzt noch leben.   Zacharias: Der Spagat zwischen den Jahrhunderten birgt auch hier und da besondere Schwierigkeiten. Die damaligen Tanzsätze wurden fast alle in 3er Taktarten geschrieben, die in der heutigen Popular-und Tanzmusik eigentlich gar nicht zu finden sind. Außerdem wurden die Instrumente damals in einer anderen Tonhöhe und nach einem anderen Stimmsystem gestimmt. Da muss man sich was einfallen lassen. Gemeinsamkeiten gibt es aber auch wie z.B. dass sowohl vor 300 Jahren, als auch in der heutigen elektronischen Tanzmusik die Basslinie für viele Tracks die formgebende Stimme ist.

Magdeboogie: Wie viel Arbeit, Schweiß und Blut steckt in diesem Stück? 

Jonas: Zacharias und ich haben uns Anfang 2020 in Mannheim getroffen und die musikalische Konzeption erarbeitet. Die Wiederaufnahme dieses Jahr hat dem Projekt einen signifikanten Schub gegeben. Insgesamt haben wir schon sehr viele Stunden investiert, da es ein nicht endender Prozess ist und uns auch immer wieder neue Sachen einfallen.    
Zacharias: Manchmal passieren Dinge einfach so, wie sie sollten. Ich glaube die zwei Jahre haben uns nochmal die Möglichkeit gegeben unser eigenes Werk mit frischen Ohren zu hören und mit frischer Energie eins oben drauf zu setzen. Die Arbeit steckt im Detail aber das Konzept hat sich direkt wieder richtig angefühlt und eine Gravitation entwickelt die uns weiterträgt.

Magdeboogie: Der Text war ja bereits nach 5 Tagen fertig geschrieben, wie geht das und woher kommt die Idee, dem ganzen einen modernen Slang zu geben?     

Hugo S.: Meistens sind intuitive Ideen gleichzeitig die besten. Ich habe die Musik gehört und hatte direkt eine Vision. Die musste ich dann nur noch sprachlich, rhythmisch und melodisch umsetzen. Ich denke, dass die Texte und die Musik so gut ineinandergreifen, da Gefühle zeitlos sind.
Zacharias: Ursprünglich war das Projekt rein instrumental gedacht. Aber nachdem ich das zwei Jahre alte Layout zum ersten Mal wieder gehört hatte habe ich sofort Hugo S. eine Sprachnachricht aufs Band gesprochen. Das war keine zwei Wochen vor der Premiere. Dass sein Part das fehlende Puzzleteil ist wusste ich, aber dass er zufällig auch noch in dieser Woche frei hatte… 

Magdeboogie: Wenn ihr nicht gerade sicke Beats schreibt, welche Genre/ welchen Komponisten spielt ihr am liebsten? 

Jonas: Barock (selbstverständlich), worauf wir uns spezialisiert haben. Alex spielt auf seinem Fender Rhodes auch Jazz, was man auch gut raushören kann.
Zacharias: Ich brauche die Vielfalt und Abwechslung. Neben aktuellen Projekten wie dem Elektrokollektiv TrommelTrubel, dem Abstrakt Orchester, wo ich Jazzgitarre spiele, oder den Vier Männern von Welt mit dem Banjo, hatte ich auch diverse Rockbands in der Vergangenheit. Am liebsten erfinde ich eigene Musik. Auf der klassischen Gitarre bin ich mit Bach, Jobim, Piazzolla, Tarrega… großgeworden und spiele sie heute noch gerne.

Magdeboogie: Könnt ihr euch vorstellen, live im Club zu spielen, während andere zu eurer Musik abdancen? 

Zacharias: Na klar!                                                                                                                
Hugo S.: Unbedingt! Da komme ich eigentlich her.

Magdeboogie: Euer erster Eindruck von unserer Boomtown? Was habt ihr von der Stadt sehen können?

Jonas: Sehr angenehme Stadt, gut gegessen, hilfsbereite und offene Leute 🙂
Hugo S.: Sehr sympathisch! Durch die Location der Insel der Jugend hatten wir direkt den Kontakt zu Akteuren der Magdeburger Subkultur. Wir wurden herzlich empfangen und haben uns wohlgefühlt. Freitagnacht waren wir am Hasselbachplatz unterwegs und sind ins Nachtleben eingetaucht. Nächstes Mal will ich unbedingt den Soultunes Store besuchen und schauen was in der Stadt sonst noch so geht.
Zacharias: Mannheim und Magdeburg teilen sich ja schonmal die zwei Anfangsbuchstaben. Auch sonst gibt es glaube ich einige Gemeinsamkeiten. Ich habe mich jedenfalls direkt wohl gefühlt.

Magdeboogie: Gibt es euch bald auf CD zu hören? 

Jonas und Zacharias: In Magdeburg haben wir viel Material aufgenommen und gedreht welches wir auf YouTube releasen werden. Die Aufnahme des ganzen Sets in Ton und Bild ist gerade in Planung. Wir sind gespannt was die Zukunft noch für uns bereithält.