Willkommen seid ihr meinem Reichtum / Mehr als mein Reichtum mir (Shakespeare, Timon von Athen)

Rainer Frank © Katrin Ribbe

Das Magdeburger Schauspielhaus zeigt mit Timon von Athen ein selten gespieltes, dafür nicht weniger spannendes, Rache-Drama von William Shakespeare. Die Premiere am 13. Juni 2024 bildete den Abschluss der Schauspielsaison 2023/24 und wurde von Presse und Publikum gleichermaßen gefeiert. Seit dem 28. September 2024 ist die Aufführung wieder im Schauspielhaus zu erleben.

Seine Feste sind berauschend. Seine Gastfreundschaft kennt keine Grenzen. Seine Liebe ist bedingungslos. Timon, ein reicher und angesehener Bürger Athens, lädt zu den prächtigsten Festen ein. Seinen Reichtum teilt er mit allen, die seine Nähe suchen. Die Reichen, die Schönen und, natürlich, die Gierigen. Sie alle feiern ihn für seine Gutmütigkeit und Gaben. Die Warnungen seiner Verwalterin schlägt er immer wieder in den Wind und so kommt, was kommen musste: Alle Mittel sind erschöpft! Für Timon kein Grund zur Sorge, seine Freund:innen möchte er nun prüfen, ist überzeugt, dass sie ihm nun gleichermaßen aushelfen, wie er ihnen. Doch alle vertrösten sie ihn, verspotten seine Gutherzigkeit. Schwer enttäuscht von seinen sogenannten Freund:innen lädt Timon zu einem letzten Festmahl ein – und rechnet ab. Er flieht in die Wälder vor den Toren Athens, wo er zurückgezogen immer mehr dem Wahnsinn verfällt, bis er zufällig eine Kiste voller Gold findet, die ihn wieder unermesslich reich macht. Folgt nun der gnadenlose Rachefeldzug?

Bettina Schneider, Nico Link, Anton Andreew, Rainer Frank, Isabel Will, Michael Ruchter © Katrin Ribbe

Mit Timon von Athen kehrt Andreas Kriegenburg, einer der gefragtesten deutschen Theaterregisseure, in seine Geburtsstadt zurück. Am heutigen Opernhaus begann er einst seine Theaterkarriere als Modelltischler. Als Regisseur und Bühnenbildner führte ihn seine Berufung an die verschiedensten deutschsprachigen und europäischen Bühnen, brachte ihn Einladungen zu internationalen Theaterfestivals und diverse Auszeichnungen ein. 2003 zog es ihn für eine Inszenierung am Theater an der Angel in die Elbestadt zurück. Zuletzt inszenierte er 2007 am Schauspielhaus Emilia Galotti von Lessing.

Mit viel Tempo und Witz steuert die Aufführung der unvermeidbaren Katastrophe entgegen. Denn ist es nicht perfide, dass alle, einschließlich den Zuschauer:innen, das Spiel und seine Kosten durchschauen, außer der Gastgeber selbst? Kriegenburg stattet seinen Timon mit einer gehörigen Portion Naivität und Unbeholfenheit und liefert ihn einer Gesellschaft aus, in der die Vermehrung von Besitztümern, Macht und Prestige über der Bewahrung von Menschlichkeit steht. Aber was ist das schon, diese Menschlichkeit? Welchen Wert hat sie? Wie viel tragen wir von ihr noch in uns? Wann rettet sie uns und wann wird sie zur Spekulation und bricht uns das Genick?

Wie ganz und gar ist doch die Welt verkehrt / Wenn Menschen, was sie Gutes tun, entehrt! / Da leistet einer besser doch Verzicht / Freigiebig dürfen Götter sein, wir nicht. (Shakespeare, Timon von Athen)

Bühne (Andreas Kriegenburg) und Kostüme (Andrea Schraad) arbeiten mit zwei gegensätzlichen Settings, die den sozialen und moralischen Verfall der Figuren nachdrücklich symbolisieren. Der Salon präsentiert sich elegant und prächtig, karg, düster und schmutzig dagegen der Wald im zweiten Aufzug. Alles ist versiert und stimmig.

Bettina Schneider, Rainer Frank © Katrin Ribbe

Das Ensemble läuft auf Hochtouren. Und das muss es auch! Zusammen erschaffen sie ein üppig ausgestattetes Mosaik aus Hochmut und Heuchelei, Begehren und Fall. Bis ins letzte Detail spielen sie die Eigenarten ihrer Figuren und Klasse raffiniert und nuanciert aus. Als Gastgeber des Abends zeigt sich Rainer Frank charmant und kultiviert, humorvoll und freigiebig. Den Gutmenschen gibt er spielend, gleichermaßen glaubwürdig und leibhaftig wie auch den verzweifelten Misanthropen. Bravourös meistert er diese Kehrtwende.
Marie-Joelle Blazejewski gibt die herrlich höhnische Philosophin Apemantus, die Timon in schelmischen und scharfsinnigen Wortgefechten intellektuell und substanziell herausfordert. Die Spannung zwischen den beiden ist so durchdringend und fesselnd, dass sie bis in die hintersten Reihen des Zuschauerraums spürbar ist. Bis zur letzten Sekunde bleibt dieser Abend ein schauspielerischer Hochgenuss aller Beteiligten!

Am Ende erlebt man einen Abend voller Wortmusik und Inhalt, voller Eleganz und Schönheit und, ja […] zu wenig Tanz … obwohl … na ja, es soll ja nicht alles verraten werden. Am besten ihr folgt der Einladung Timons einfach selbst und besucht eine der begehrten Feste – ähm Aufführungen natürlich!

Weitere Vorstellungstermine bis Januar 2025: Samstag, 30.11., Samstag, 14.12., Donnerstag, 26.12, Samstag, 11.01., und Samstag, 18.01., jeweils um 19:30 Uhr.

Alle Informationen und Tickets zum Stück gibt es auf der Website des Theater Magdeburgs.

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Text: Tobias Bachmann (letzte Aktualisierung: 14.11.2024)