Seit der Spielzeit 2022/23 ist Joshua Hunt Ensemblemitglied des Balletts Theater Magdeburg. Bereits mit 5 Jahren begann Joshua mit dem Tanzen und besuchte seit seinem 12. Lebensjahr eine professionelle Tanzschule. 2022 schloss er seine Tanzausbildung an der Palucca-Hochschule für Tanz in Dresden ab. Für seine tänzerischen Leistungen wurde er letztes Jahr mit dem Förderpreis des Fördervereins Theater Magdeburg ausgezeichnet.
In der aktuellen Spielzeit ist Joshua in verschiedenen Ballett- und Musicalproduktionen, solistisch u.a. in Borgia und Vincent zu erleben. Jüngst stand er für die Premiere des Ballett-Doppelabends Carmen/ Morgenröte eines Stiers auf der Bühne des Opernhauses.

Wir haben Joshua getroffen – und haben ein inspirierendes und offenherziges Gespräch über Emotionen, Tanz und dem Wunsch, neugierig zu bleiben, geführt.

Joshua Hunt, Louise Curien, Ensemble, Schneewittchen (2023) © Ida Zenna

Joshua, was ist dir wichtig im Leben?

Ich möchte versuchen, im Moment zu leben. Jeden Tag habe ich die Möglichkeit, im Hier und Jetzt zu sein, denn ich möchte mein Leben genießen. Das ist nicht immer einfach umzusetzen, aber ich möchte es versuchen. Ich möchte eine Qualität in meinem Leben spüren, die mich sowohl in meiner Arbeit als Tänzer als auch in meinem Privatleben inspirieren kann. Außerdem bin ich ein sehr neugieriger Mensch. Ich liebe es, mich zu öffnen, dazu zu lernen, neues auszuprobieren und ich habe das Gefühl, dies mit dem Tanzen erreichen zu können. Die Möglichkeiten, was und wie ich etwas machen kann, sind schier unendlich und das liebe ich sehr.

                                               Joshua Hunt © Jan Reiser

Wie schaffst du es, neugierig zu bleiben? Zwischen Aufführung und Proben?

Unser Berufsalltag hat seine Abläufe und Routinen. Die sind auch notwendig. Die letzten 2 Monate haben wir unsere neue Produktion Carmen/ Morgenröte eines Stiers geprobt. Am Abend standen wir dann schon wieder auf der Bühne und tanzten Stücke aus unserem Repertoire. Routinen können aber auch dabei helfen, immer wieder zu einem zurückzukommen. Mir ist es wichtig, trotz oder gerade auch dank dieser Routinen neugierig zu bleiben, nach links und rechts zu schauen und mich zu fragen, was ich in dieser Situation anders machen könnte. Ich versuche, nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten und Wegen zu suchen, denn ich möchte, dass meine Arbeit interessant für mich bleibt. In meiner Freizeit schaue ich mir sehr gern Dokumentationen an und wann immer ich etwas erfahre, das ich zuvor noch nicht kannte, inspiriert mich das. Ähnlich ist das beim Musikhören. Es sind dann meistens die kleinen Dinge, die mir dieses Gefühl geben.

Die Musik ist ein fundamentaler Bestandteil eurer Ballettabende. Von Barock bis (Neo-) Klassik, Electro, Experimental- und Filmmusik – immer wieder erklingen neue Töne auf der Bühne und werden von euch in Bewegungen und Emotionen übersetzt.
Welche Musik hörst du am liebsten?

Das ist sehr unterschiedlich! Ich höre sehr gern elektronische und minimalistische Musik, die hilft mir, von einem stressigen Tag herunterzukommen und zu entspannen. Aber auch Jazz und Soulmusik. Wenn ich etwas höre, ist es mir wichtig, das zu fühlen, was da gerade gesungen oder gespielt wird. Emotionen spielen für mich auf jeden Fall eine große Rolle. Erst wenn ich etwas fühle, kann ich es auch verkörpern. Dann entsteht auf der Bühne eine Verbindung zwischen der Musik, meinem Körper und den anderen Tänzer:innen. Die Musik hilft uns ungemein, uns in die Geschichte, eine Gefühlswelt oder eine Situation hineinzuversetzen, zu spüren und präsent zu sein. Ohne die Musik würde sich das ganz anders anfühlen und aussehen.

Joshua Hunt, Vincent (2024) © Ida Zenna

Als Tänzer bist du immer wieder solistisch aktiv, hast beispielsweise den Spiegel in Schneewittchen oder Cesare Borgia in Borgia getanzt. Wie fühlst du diesen Figuren, ihren Emotionen und Motiven nach? Wie schaffst du es, sie auf der Bühne zum Leben zu erwecken?

Das ist bei jeder Aufführung anders! Je nachdem, wie ich mich gerade fühle, versuche ich, das auch für meine Performance zu nutzen. Ich liebe es, die kleinen Momente abzupassen und anzunehmen, wo ich spontan sein kann, während die Musik uns beispielsweise klar vorgibt, wo wir wann auf der Bühne zu sein haben und in welche Richtung sich die Handlung entwickelt. Für mich ist es wichtig, dass Emotionen an oberster Stelle stehen. Ohne Emotionen fehlt mir etwas auf der Bühne. Ich versuche, und das ist mir unglaublich wichtig, die Gefühle meiner Figuren nachzuspüren, sie zu fühlen, ihre Gedanken nachzubilden, sodass ich sie auch authentisch und realistisch darstellen kann. Wann immer ich Parallelen zu meinen Erfahrungen und Gefühlen entdecke, nutze ich diese, um meine Performance weiter zu verbessern. Das ist schon eine Herausforderung und nicht immer einfach! Aber mit den Jahren gelingt es mir zunehmend leichter und ich gewinne an Selbstvertrauen auf der Bühne. Aber es bleibt immer spannend, bei jeder Produktion, vor jeder Aufführung!

Und was gibt es Schöneres, als diese Emotionen mit anderen, mit eurem Publikum zu teilen …

Du sitzt im Publikum, lässt dich in die Geschichte fallen, hörst zu, siehst zu, wie sich Körper bewegen, sich ausrichten, abstoßen, aufeinander zugehen und sich berühren. Eine Energie wird freigesetzt, du wirst emphatisch, für das, was du siehst und fühlst mit. Manche Gefühle lassen sich zwar auch durch Worte beschreiben, aber es ist so viel besser, sie zu fühlen. Es ist unglaublich schön und wertvoll, diesen Raum zu schaffen, in dem Menschen zusammenkommen, leise sind, ihre Gedanken ruhen lassen und stattdessen gebannt dem Geschehen auf der Bühne folgen. Alle fühlen etwas anderes und gehen mit den unterschiedlichsten Eindrücken wieder nach Hause. Ich frag mich dann oft, wer sind diese Menschen im Publikum? Woher kommen sie? Auch: Wer kann sich einen Ballettbesuch überhaupt leisten? Was bewegt sie? Welche Verbindung haben sie zum Tanzen?

Joshua Hunt, Anastasiya Kuzina, Ensemble, Horizonte (2024) © Ida Zenna


Kommen wir zum Schluss noch einmal auf Gefühle zu sprechen. Ich erinnere mich an eine Band, die auf einen ihrer Konzerte einmal sagte, tanz so, wie du dich fühlen möchtest, nicht wie du aussehen möchtest! Ich glaube, haben wir erst einmal diesen Schalter gefunden, unsere Gedanken, die Befürchtungen und Erwartungen, wer wir zu sein haben, auszuschalten, umso mehr können wir bei uns selber ankommen und das, was wir machen, mehr fühlen, genießen und wertschätzen …

Ich bin mir sicher, dass das nicht einfach ist, aber wenn man es einmal ausprobiert, dann ist das schon irgendwie magisch. Wir machen uns immer so viele Gedanken: Wie kommt das herüber? Wie sehe ich aus? Welchen Wert hat das, was ich mache? Es kann so immens bereichernd sein, die Perspektive zu wechseln und sich zu fragen: Was ist mir wichtig? Wie fühle ich mich gerade? Mag ich das? Diese Fragen stelle ich mir sehr oft, nicht nur beim Tanzen! Ich möchte damit gar nicht sagen, dass es mir nicht wichtig ist, wie ich auf der Bühne aussehe, aber viel bedeutender für meine Arbeit sind Emotionen. Ich möchte etwas spüren beim Tanzen und hoffe, dass auch die Menschen im Publikum etwas dabei spüren. Dann erinnere ich mich gern an meinen ersten Tag hier am Haus zurück, einer der ersten Sätze unseres Ballettdirektors Jörg Mannes an uns war: Emotionen kommen immer zuerst!

Danke an Joshua Hunt für das herzliche Gespräch.

Für alle, die noch mehr Einblicke in die Arbeit der Magdeburger Ballettcompagnie bekommen möchten, lädt Ballettdirektor Jörg Mannes am Donnerstag, 22.05., um 19:30 Uhr zur Gesprächsreihe Wir, das Ballett in die Magdeburger Stadtbibliothek ein. Der Eintritt ist kostenlos!

Alle Premieren und Wiederaufnahmen des Balletts Theater Magdeburg, Informationen zu den Spielterminen und Tickets findet ihr auf der Website des Theater Magdeburg!

In eigener Sache:

Ihr Herzensmenschen,
dieses Gespräch ist mein letzter Blogartikel für Magdeboogie. Ich habe Magdeburg im letzten Oktober verlassen und bin dem Elbeverlauf nördlich bis zur Nordseeküste gefolgt, die ich dankenswerterweise mein neues Zuhause nennen darf!

Ich bin unbeschreiblich dankbar für diese Chance, für diese Plattform! Ich danke der lieben Nadia, die mich 2019 an Bord geholt und fortan mit Herz und Verstand (und dem ein oder anderen Shot Pfeffi) zur Seite stand, mich inspiriert und motiviert hat. Danke an alle Redakteur:innen und Unterstützer:innen von Magdeboogie, die diese Stadt erst zum Leuchten bringen. Crew Love is True Love! Forever!

Ich danke Kathrin Singer und Lisa Dreßler aus der Presse/ Öffentlichkeitsarbeit am Theater Magdeburg, die mich herzlich und wertschätzend willkommen gehießen haben, mich immer wieder mit neuen Ideen und Gesprächspartner:innen für Blogartikel versorgt, vermittelt und unterstützt haben.

Ich danke meiner Schwester Sandra, die einen Großteil meiner Texte mit viel Geduld und Offenheit korrigiert und lektoriert hat.

Ich danke all meinen Gesprächspartner:innen, all diesen wundevollen kreativen Menschen, die mir spannende Einblicke in ihre Arbeit und ihr Leben gewährt haben.

Mein größter Dank geht an alle Leser:innen meiner Blogartikel. Jeder Klick, jedes Feedback und liebe Wort hat mir die Welt bedeutet. Ich hoffe, ihr konntet euch etwas mitnehmen!

Ihr Lieben, geht ins Theater, unterstützt eure lokalen Kulturschaffenden und Künstler:innen und passt auf euch auf! Ahoi!