»Unerklärliches Geheule aus deinem Keller?
Paranormal fliegen dir die Klöße vom Teller?
Grausiges Kettengerassel an der Bushaltestelle?
Ruf mich an, ich kümmere mich um solche Notfälle!«

(Dottoressa von Eisebein, Geisterjägerin)

Eine groteske Meldung versetzte unsere Magdeboogie Redaktion Ende November in Aufruhr: Spuk im Opernhaus! Uns lagen Berichte von mysteriösen Gestalten, schauderhaftem Geheule und fliegenden Pizzen vor. Als hartgesottene Magdeboogies konnten wir das natürlich nicht unbeachtet lassen und machten uns auf die Suche nach Hinweisen. Im Spielplan des Theater Magdeburg stießen wir dann auf die Antwort: „Das Gespenst von Magdebu-huuu“ – Ein Weihnachtsmärchen für alle ab 6 Jahren.

Ach ja, das Weihnachtsmärchen im Opernhaus gehört zur Adventszeit in Magdeburg wie der süßliche Duft nach gebrannten Mandeln und der schrille Laut der Stofftiergreifer zum Weihnachtsmarkt. Schauspieldirektor Bastian Lomsché schrieb eigens für das diesjährige Weihnachtsmärchen eine Gespenstergeschichte mit Magdeborch-Bezug.
Am 28. November 2023 feierte das Schauspiel in der Inszenierung von Daniel Foerster Premiere im Opernhaus.

Natürlich konnten wir uns diesen Spuk nicht entgehen lassen … Aber keine Panik, gruselig wird es nicht. Na gut, vielleicht ein klein wenig. Aber es wird auch lustig und spannend und euch ganz sicher warm ums Herz. Versprochen!

Bettina Schneider, Julia Buchmann, Philipp Kronenberg, Robert Lang-Vogel © Jan Reiser

Nun denn, lasst uns gemeinsam zur Burg Gronenborch reisen. Dort lebt das junge Gespenst zusammen mit den drei Geistern Baronesse von Flux, Hans-Heinerich Hundehobel und Graf Justus von Knatterbirg. Die drei Haudegen aus längst vergangenen Zeiten haben es sich zur Aufgabe gemacht, das junge Gespenst nach strengen und althergebrachten Geistersitten zu unterrichten. Das junge Gespenst aber wünschst sich nichts sehnlicher, als durch die große weite Welt zu spuken.

Als dann Bürgermeister Gockler mit seinen Plänen, die Burg in ein Luxus-Hotel umzubauen, auf den Plan tritt, ist der große Moment gekommen. Gockler lässt eine Geisterkiste samt dem jungen Gespenst mit nach Magdeburg nehmen. Dort angekommen, gibt es für das Gespenst kein Halten mehr. Die ganze Stadt versetzt es in Aufruf. Nicht einmal der Weihnachtsmann ist vor dem Schabernack des jungen Gespensts sicher. Einzig die junge Lina zeigt sich begeistert von der Ankunft des drolligen Wesens und freundet sich mit ihm an.

Der Bürgermeister dagegen hat endgültig genug von dem Spuk und engagiert kurzerhand die Gefürchtetste aller Geisterjägerinnen: Dottoressa von Eisebein …

Wird es dem jungen Gespenst gelingen, dem hinterhältigen Plan von Bürgermeister Gockler und der Geisterjägerin zu entkommen? Kann die Freundschaft zwischen Lina und dem jungen Gespenst standhalten? Und was wird aus Burg Gronenborch und den drei Geistern?
Wir wollen an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Aber hey, ganz unter uns, wir sind hier natürlich in einem Märchen …

Nico Link, Robert Lang-Vogel, Philipp Kronenberg © Jan Reiser

Bastian Lomsché hat eine bezaubernde kindgerechte und kurzweilige Textgrundlage geschaffen. Für seine Figuren bedient er sich bekannten und oft rezipierten Stereotypen wie die des profitgierigen Bürgermeisters oder der unbeholfenen Polizei. Das stört aber gar nicht weiter, weil er seine Figuren mit sehr viel Charme und Humor ausstattet und die Geschichte mit sehr viel Dynamik und Finesse zu erzählen weiß.

Ein besonderes Highlight des Weihnachtsmärchens ist das detailverliebte Bühnenbild. Die Bühnen- und Kostümbildnerinnen Mariam Haas und Lydia Huller zaubern eine ganze Stadt samt der altehrwürdigen Burg Gronenborch auf die Drehbühne. Im Handumdrehen wechselt die Szene von den schaurigen Gemächern der Burg zum Büro des Bürgermeisters oder zu einem lebendigen Marktplatz mit Polizeistation, Geschäften und Cafés.

Häääh, schnuckelige Cafés und Geschäfte auf dem Magdeburger Markt? Nun ja, zumindest in der Bühneninterpretation. Diese distanziert sich von einer detailgetreuen Abbildung der Elbestadt, wie wir sie kennen (schließlich sind wir ja im Märchen!) Stattdessen bedient sie sich bekannter Ortsnamen und hochdiskutierter Stadtthemen und schafft so einen Anreiz, Magdeburg einmal einen neuen Anstrich zu geben und für sich eine eigene Ästhetik zu entwickeln. Aber ganz ehrlich, ein paar gemütliche Cafés und ein wenig Farbe im Allgemeinen würden unserer Innenstadt auch nicht schaden.

Die liebevoll gestalteten Kostüme ergänzen die vom Bühnenbild geschaffene Atmosphäre perfekt. Während die Stadtleutchen in freundlich-hellen Farbtönen daherkommen, wurden für unsere drei Geister schon mal Puderlocken, Strumpfhose und Rüstung ausgegraben. Nur dem jungen Gespenst ist diese Nostalgie nicht vergönnt. Mit seinen gerade einmal 150 Lebensjährchen spukt es in einem weichen, ausgeweiteten Einteiler über die Bühne und wirkt dabei super knuddelig.

Bettina Schneider, Robert Lang-Vogel © Jan Reiser

Auch für die Ohren wird einiges geboten. Der Musiker und Komponist Jan Preißler hat eigens für die Schauspielproduktion acht Songs geschrieben und produziert. Die Musik ist in der Lage sowohl atmosphärisch die Szene zu unterstreichen als auch mit poppigen, rockigen und gerappten Passagen zu punkten. Auf jeden Fall bleibt sie noch lange nachdem der Vorhang gefallen ist im Ohr. Julia Buchmann als Gespenst und Isabell Will als Lina singen sich während ihrer zwei gemeinsamen Duette in die Herzen des Publikums. Ihre Freundschaft berührt und erinnert uns daran, einmal öfters mit offenen Herzen und Empathie durch die Welt zu gehen. Es ist doch egal (bzw. sollte es egal sein), woher jemand kommt, wohin jemand gehen möchte, wie jemand aussieht und ob man Mensch oder Gespenst ist. Freundschaft verbindet und birgt ein immenses Ermächtigungspotenzial.

Alle Darsteller:innen spielen in der Produktion gleich mehre Figuren und das mit solch einer Hingabe, gewürzt mit einer Brise Selbstironie, dass man sie einfach alle lieb haben muss. Ja, auch die garstige Geisterjägerin. Die jüngsten Zuschauer:innen im Saal würden jetzt sicherlich widersprechen, und dennoch, Bettina Schneider versteht es, ihrer Rolle ein außerordentlich großes Mundwerk mitzugeben. Eine urkomische Überzeichnung allderjenigen, die ihre Zeit lieber damit verbringen, gegen jede Herumblödelei und jeden Spaß zu wettern. So richtig Spaß macht es dagegen, Philipp Kronenberg als Oberwachtmeister Dumpfzwack auf seinem Segway angefahren zu sehen. Oder Robert Lang-Vogel, wie er sich als Bürgermeister von einem jungen Gespenst und einer abgebrühten Geisterjägerin auf der Nase herumtanzen lässt. Etwas ruhiger, aber nicht weniger entschieden, Nico Link als Burgverwalter Walter, der sich solidarisch auf die Seite der drei Geister und des jungen Gespenstes schlägt.

Julia Buchmann, Isabel Will © Jan Reiser

Nach etwa 70 Minuten ist der Spuk auch schon wieder vorbei. Bis zur letzten Minute folgten die kleinsten Zuschauer:innen gebannt dem Geschehen und durften dabei kräftig mitwirken. Immer wieder lädt die Inszenierung zum Mitdenken, Fantasieren und Mitbestimmen ein. Die Ideen und Meinungen der Kleinsten werden explizit gewünscht, sie werden von den Spielenden aufgegriffen und die Kinder dürfen sich ernst genommen fühlen. Und das dankten die Kinder (und solche, die schon eine Karte für Erwachsene kaufen mussten) mit tosendem Applaus. Zurecht, denn das „Gespenst von Magdebu-huuu“ versprüht ganz viel Herzenswärme und gute Laune. Das ist vor allem dem stimmungsvollen und aufwendigen Bühnensetting sowie dem spielwütigen Ensemble zu verdanken. Bei all der Kälte, Missgunst und Gewalt, die uns täglich begegnet, hätte uns das Theater Magdeburg kein süßeres Geschenk bereiten können (- vom Sturz des Patriarchats mal abgesehen).

Also: Wer sich die Weihnachtszeit etwas versüßen möchte (und schon Bauchschmerzen von gebrannten Mandeln und co. hat), die:der sollte nicht lange zögern, sich eine Karte für das Weihnachtsmärchen zu besorgen. Das Stück ist wie geschaffen für Kinder und Familien, aber ebenso ansprechend für Menschen aller Altersgruppen.

»Sie jagen den Wind und sie reiten geschwind.
Das sind Mensch und Gespenst, weil sie jetzt Freundinnen sind.«

(Das junge Gespenst und Lina)

Das Weihnachtsmärchen „Das Gespenst von Magdebu-huuu“ steht noch bis zum 6. Januar 2024 auf dem Spielplan des Theater Magdeburg. Ausgewählte Vorstellungen werden mit englischen und ukrainischen Übertiteln gezeigt.
Alle Informationen zum Stück, zu den Spielterminen und Tickets sowie weiteren Programmpunkten in der Adventszeit erhaltet ihr auf der Website des Theater Magdeburg.

Text: Tobias Bachmann