Seit mehr als drei Jahren sehen wir Maik, Tschick, Isa und einigen weiteren, meist erwachsenen Charakteren dabei zu, wie sie sich in „Tschick“ durchs Leben mogeln, kämpfen oder treiben lassen. Der Roman von Wolfgang Herrndorf, der für die Inszenierung von Dominik Günther als Vorlage dient, hat es mancherorts auf den Lehrplan der Schulen geschafft. Im Studio des Schauspielhauses in Magdeburg agieren in der Aufführung drei Personen mit vollem Einsatz. Von Anfang an verkörpert Raimund Widra in dieser Produktion die titelgebende Figur des Andrej Tschichatschow. Ihm zur Seite steht seit 2014 Konstantin Marsch als Maik Klingenberg und in dieser Spielzeit komplettiert Jenny Langner in der Rolle der Isa Schmidt das Trio auf der Suche nach Identität und Freiheit.

Das Stück startet mit Bodennebel. Gepanzerte und mit Spielzeuggewehren ausgestattete Akteur*innen bringen, unterstützt von hämmernden Bässen, Leben in die Szenerie. Spielplatz in der Disco! Skurril und hyperaktiv. Ein Workout für die Schauspielenden, das einen doch immer wieder abholt und vor allem die jugendlichen Zuschauer*innen bis zum Ende unterhält. Respekt. Zum dritten Mal begegnet mir die Geschichte von Tschick und seinen Freund*innen, doch gibt es wieder Neues zu entdecken. Die Erzählart unterscheidet sich vom Hörbuch und auch von der Inszenierung am Staatsschauspiel Dresden, sodass es sich wirklich lohnt, dabei gewesen zu sein, wenn Jenny Langner am Poolrand sitzt und altbekannte Lieder in Akustikversionen zelebriert, während sich Maik und Tschick ungeachtet ihrer Herkunft bzw. des sozialen Hintergrunds allmählich anfreunden. Hier wird jugendlicher Leichtsinn gepaart mit Melodien der Vergangenheit. Manche Gedankengänge der Protagonist*innen erscheinen so abstrus, dass die Zuschauenden sie selbst beeindruckt in Erwägung ziehen. Beispielhaft dafür die Situation, als sich aus dem einfachen Tankvorgang eine Abhandlung über physikalische Kräfte und die Suche nach einem Schlauch auf der Müllkippe ergibt.

I can’t dance, I can’t talk. Only thing about me is the way I walk. No, I can’t dance, I can’t sing. I’m just standing here selling everything. Hot sun beating down. Burning my feet just walking around.

Maik ist ein Außenseiter, ein Langweiler, der mit seinen Eltern in einer Villa wohnt. Eine Familie sind sie nicht wirklich, denn sein Vater ist ein erfolgloser Immobilienmakler, der sich lieber mit seiner Sekretärin vergnügt, als sich um seinen Sohn zu kümmern. Maiks Mutter ist Alkoholikerin und verbringt die meiste Zeit im Delyrium oder auf der „Beautyfarm“. In Anbetracht ihrer Verfassung hat sie mitunter ziemlich kluge Sprüche auf Lager.

Scheiß auf die Leute! Alles ist egal. Das wichtige ist, bist DU glücklich damit?

Als der eher nachdenkliche Maik vom energiegeladenen Tschick verfolgt und dann zum „Ausleihen“ eines Autos überredet wird, kommt die Geschichte in Fahrt.

Morning has broken like the first morning.

Alles ist ein wenig abgedreht. Angefangen mit der Geschichte, über Texte zu „Starship Troopers“ oder musikalische Themen von Serien wie Akte X, die eingespielt werden. Das Ganze gipfelt in teils obszöner Sprache sowie den Charakteren, die außer Isa, Maik und Tschick das Stück beleben. Aufgrund ihrer Maskierung sind diese weiteren Figuren verstörend, sodass die Ernsthaftigkeit dem Stück nie vollends verloren geht. Die Konflikte, die hier aufgegriffen werden, sind real. Auf die eine oder andere Weise.

Eltern, Lehrer und Medien sagen einem immer wieder, dass die Welt schlecht wäre, aber auf unserer Reise sind wir dem 1% begegnet, das nicht schlecht ist.