Seit einigen Wochen geistert der Name einer neuen Partei durch die Presse. Wobei, Partei wollen sie gar nicht sein, eher eine Bewegung. Daher auch Demokratie in Bewegung (DiB). Seit einigen Wochen gibt es nun auch einen Landesverband in Sachsen-Anhalt.

Wir haben uns mit Franka und Max getroffen. Franka trifft man oft im und vorm Café Central. Sie ist Ingenieurin für Umwelt- und Energietechnik und hat vor kurzem ihre Doktorarbeit eingereicht. Max ist auch Ingenieur, allerdings für Wasserwirtschaft, an der Hochschule.

Eigentlich würde man die beiden auf den ersten Blick nicht als Parteipolitiker*innen erkennen. Vermutlich würden sie sich auch selber so nicht bezeichnen, wenn sie da nicht gerade eben eine Partei mitgründen. Engagiert wirken sie – sie haben sich ja auch bei Ingenieure ohne Grenzen kennengelernt, aber Politik? Gern bei einem Bier darüber diskutieren. Aber Franke und Max wollten mehr.

Man merkt bei Franka, dass da eine Mischung aus Parteienfrustration und gleichzeitigem Veränderungsbedürfnis zusammenkommt – ein Gefühl, mit dem sich viele identifzieren können. Es besteht der Bedarf zu verändern und zu gestalten, gleichzeitig kann man sich nicht mit der Idee und den Strukturen vorhandener Parteien identifizieren. Franka sieht eine Abspaltung der Politik von Gesellschaft, weil die Bürger*innen nicht mehr verstehen was da passiert – es aber auch zu wenig erklärt wird.

Vor ein paar Wochen hat sie den Aufruf von Demokratie in Bewegung gelesen, zu einem Bundesgründungsparteitag nach Berlin zu fahren. Vermutlich auch, weil sie da ein Loch in ihrem Leben füllen wollte, nachdem sie die Doktorarbeit eingereicht hatte. Und plötzlich war saß sie in einer Runde von Wildfremden und war die einzige aus Sachsen-Anhalt. “Da hieß es dann: ‘Franka, dann weißt du ja, was du zu tun hast’”, erinnert sie sich, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Die Parteigründung ist ihr also zugefallen.

“Demokratie finden ja alle super”, sagt Franka. “Demokratie in Bewegung ist aber innovative Geschichte, um eingefahrene Strukturen aufzubrechen und Öffnung nach außen zu schaffen”, erzählt sie begeistert. Auch Max findet die Idee cool, etwas Neues zu schaffen, wo man sich auch noch einbringen kann. “Allein der Versuch ist es Wert, da mal mitzumachen”

 

 

Aber was soll das denn nun sein, die DiB? Eigentlich wollten sie nur eine Bewegung sein. Aber irgendwann merkte man: will man das System verändern, muss man auch mitspielen. Quasi von Innen die Spielregeln verändern.

Eine Politik die vorbaut

Inhalte sollen durch Initiativen von außen aufgebaut werden, und nicht einfach parteiintern festgelegt werden – es soll Wert darauf gelegt werden, dass sich vor allem Expert*innen beteiligen. Entsprechend braucht man kein geschlossenes, durchgehendes Parteiprogramm erwarten. Vielmehr geht es um Rahmenbedingungen bzw. Orientierungslinien, die sich sehr stark an Erfahrungen und Werten orientieren:

  • Demokratie, Mitbestimmung und Transparenz
  • Gerechtigkeit in sozialen, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Fragen
  • Weltoffenheit und Vielfalt
  • Zukunftsorientierung und Nachhaltigkeit

Für Franka geht es dabei immer um Progessivität, oder wie sie sagt, “eine Politik die vorbaut”, und sich nicht um Probleme kümmern muss, die man doch eigentlich schon in der Entstehung hätte verhindern können. Der Fokus liegt auf Zukunftsfähigkeit, bei der alle einbezogen werden müssen. Weniger soll die Energie auf das Reparieren akuter Probleme konzentriert werden, sondern vielmehr möchte man präventiv und progressiv in die Zukunft denken.

Aber für was steht die Partei denn nun? Wenige Monate nach ihrer Gründung gibt es verständlicherweise wenig vorzuweisen.

Es geht bei Franka und Max irgendwie immer um das Grundsätzliche, weniger um die Details. Politik soll anders funktionieren, und eben nicht im Sachzwang ersticken. Man glaubt, dass die Intelligenz der Gruppe besser Probleme lösen kann, als die starre Orientierung an einer Parteisatzung, um die Ideale im Sinne der Koalitionsbildung doch wieder über Bord zu werfen.

Die Abgrenzung zur vorhandenen Parteien scheint dabei essentiell zu sein. Gar nicht in der Mitgliedschaft, denn auch wenn DiB sich nun als Partei organisiert, ist man offen für alle, die sich einbringen und engagieren wollen – auch wenn sie bereits in anderen Parteien sind. Man versteht sich, und da wird der Name doppeldeutig, auch als Bewegung. Aber, zentraler Bestandteil der Arbeit ist ein sogenannter Ethik-Kodex.

Zentraler Bestandteil der DiB ist das Initiativprinzip. Dafür gibt es ein offenes Forum online, den sogenannten Marktplatz der Ideen, in dem alle Initiativen öffentlich diskutiert werden und für jeden einsehbar sind. Zum mitdiskutieren muss man sich einfach nur anmelden.

Irgendwie wirkt es aber auch alles ein wenig impulsiv. Schaut man sich das Team hinter der Bundesebene an, sieht man viele junge Menschen – Campaigner*innen, Unternehmer*innen, Menschen in modernen Berufen. Menschen also, die vermutlich erfolgreich sind, und dennoch Veränderung wollen. Wenn man den Profilbildern auf dem Marktplatz glauben schenken darf, wird das Engagement dort zwar vielschichtiger, aber eine Grundfrage bleibt bestehen: Franka meint, dass derzeit bundesweit ca. 200 Menschen engagiert sind. Die Zahlen wachsen zwar, doch wird es wohl eine Weile dauern, bis die aktive Basis groß genug ist, um gesellschaftlich repräsentativ zu sein – wenn überhaupt.

Um verschiedene Modelle der Partizipation zu ermöglichen, gibt es neben den Mitgliedern auch Beweger*innen. Dort geht es eher um Unterstützung und Abstimmung. Man hat eine Verifizierung vorgeschaltet, vermutlich als Troll-Schranke, damit auch nur wirklich die mitmachen, die ernsthaft konstruktiv sein möchten. Aber auch der Zugang zur Mitgliedschaft ist begrenzt. Es gibt ein Bewerbungsverfahren zur Mitgliedschaft – wie in jeder anderen Partei. Nur soll es bei DiB eben noch strikter sein, orientiert am Ethik-Kodex, um sicher zu gehen, dass diese Grundwerte nicht regelmäßig neu verhandelt werden.

Diese Sicherheitsstufe kann man vermutlich als Reaktion auf die Entwicklung der letzten beiden populären Parteineugründungen sehen. Die Piraten, ebenfalls mit vergleichbaren offenen Systemen gestartet, wurden nach einem schnellen Hype und gewonnen Landtagswahlen von innen zerfressen – auch weil Neuverhandlungen der idealistischen Gründungswerte die Partei in diverse Schmuddelecken getrieben haben. Man war vermutlich zu blauäugig und dachte, dass die Schwarmintelligenz es schon allein regeln würde. Und auch die AfD war zwar von Anfang an nationalistisch und wenig sozial, hat sich aber durch diverse Machtspielchen erst über die Jahre in die wirklich rechte Ecke geschoben. Parteien bilden eben doch vorallem die Lebensrealität ihrer Mitglieder ab.

Das große Ganze?

Und hier könnte auch einer der Knackpunkte von DiB liegen: man ist halt wirklich sehr sehr modern. Blättert man ein wenig durch die Initiativensammlung auf dem Marktplatz findet man viele gute Ideen: Whistleblower schützen, Steuerfinanzierte Krankenversicherung, Legalisierung von Cannabis, oder das Bildung mehr sein muss als nur Wissensvermittlung. Das sind alles gute und irgendwie auch schon gehörte Punkte – Franka spricht liebevoll von einem “Linksökologischen Nachhaltigkeitsspektrum” –  und doch sind sie in erster Linie eben das, was sie sind: Einzelinitiativen. Es fehlt das große Ganze.

Franka meint, dass sich das Konkrete aus der Initiative erst ergibt. Damit soll auch das Dogmatische aus der Politik entfernt werden: wenn sich Rahmenbedingungen ändern, dann ändern sich vielleicht auch Initiativen und deren Umsetzungen. Es sollen also Impulse wahr- und aufgenommen werden.

Irgendwie scheint es viel mehr um Prozesse und Mechanismen zu gehen. Vielleicht ist DiB damit gar nicht als fehlendes Puzzlestück im Parteinkuche zu verstehen, oder gar als linke Alternative zu einer konservativen Parteienmehrheit. Viel mehr funktioniert DiB wohl eher als Modellversuch, politische Prozess wieder öffentlicher und erreichbarer zu gestalten. Die Basis ist wieder Crowdsourcing, wie bei den Piraten. Und auch wenn es damit weniger innovativ wirkt, zeigt es doch, dass das Problem von damals nicht gelöst ist: die Engagierten wollen sich auch einbringen. Die gesellschaftlichen Leistungsträger*innen brauchen das Gefühl der Wirksamkeit, und wollen sich nicht beim Currywurstessen im Kreisverband aufreiben. Es geht um wahres buttom-up, und nicht mehr nur um die Orientierung am top-down. Ist das nun schon mehr Demokratie? Vermutlich nicht. Aber es ist ein neuer Modellversuch für mehr Partizipation.

 

Doch auch wenn die Partei sich nicht im Klein-Klein verlieren möchte, so steht genau das nun für Franka, Max und die anderen aus dem Landesvorstand an: wer die Regeln verändern will, muss erstmal mitspielen. Darum heißt es nun, Unterschriften sammeln. Bis Ende Juni fehlen ihnen noch 1500 Unterstützer*innen aus Sachsen-Anhalt, um auf Landesebene zur Wahl zugelassen zu werden. Es ist ein mühsames Geschäft.

Franka war überrascht, wie sich der Umgang mit Parteien in der Öffentlichkeit von ihrem anderen Engagement unterscheidet. Wenn sie mit Ingenieuren ohne Grenzen einen Stand für den guten Zweck angeboten hat, wurde sie meist mit Kusshand genommen. Aber nun, als Vertreterin einer Partei? Schwierig. Da will sich niemand die Finger verbrennen.

Doch Franka brennt für das Thema und will raus gehen, Fragen stellen…Leute in Gedanken bringen. “Politik ist ja kein abgeschlossenes System, sondern wird von Menschen gemacht”, meint sie zum Abschluss. Vielleicht geht es auch nur darum: die alten Parteien zu pushen und das System zu verbessern.

Wer Franka und Max bei der Demokratie in Bewegung unterstützen möchte, der kann dies per Post tun, und einfach den Unterstützungszettel ausfüllen und zuschicken. Alternativ gibt es diese auch in Magdeburg im Café Central, soultunes, Neuzeit und der Milchkulturanstalt.

Interview und Text: Martin