Die Organisation „Sozialkombinat Ost“ plant im Mai ihre erste Ostdeutschland-Konferenz in Magdeburg. Dafür laden sie alle Interessierte in die Feuerwache ein, um über die weiterhin bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West zu diskutieren. Wieso sie an dem Thema nicht lockerlassen, erklärt die Gruppe im Interview mit Magdeboogie.

Sozialkombinat Ost ist eine spannende Bezeichnung für eure Gruppe. Woher kommt der Name und was sind eure Betätigungsfelder?

Als wir uns 2022 gegründet haben, suchten wir etwas länger nach einem passenden Namen für unsere Organisation. Unser Ziel ist es, linke Positionen wieder nachvollziehbar und anschlussfähig zu machen und dabei stets die spezifisch ostdeutschen Verhältnisse zu berücksichtigen. Beides versuchten wir mit dem Begriff des Sozialkombinats zum Ausdruck zu bringen. Dafür haben wir den Begriff aus der Geschichte der DDR adaptiert. Kombinate waren damals Kooperationen, die ein Pendant zu westdeutschen Konzernen dargestellt haben. Wir betrachten uns selbst als eine Art politisches Kombinat und versuchen, mit politischen Aktionen und Kooperationen auf progressive Veränderungen in Ostdeutschland hinzuwirken. Hierfür sind wir in verschiedenen Tätigkeitsfeldern aktiv. Aktuell befassen wir uns beispielsweise intensiv mit der Ansiedlung des US-Konzerns Intel in Magdeburg und haben hierzu bereits verschiedene Veranstaltungen organisiert sowie Artikel veröffentlicht. Während der Energiekrise haben wir erfolgreich in Magdeburg für einen Sozialfonds gekämpft, der seitens der Stadt in diesem Jahr nun endlich ins Leben gerufen werden soll.

Ihr plant am 25. Mai eine Ostdeutschland-Konferenz in Magdeburg. Wieso braucht es heute noch eine Auseinandersetzung mit dem Osten?

Auch fast 25 Jahre nach der Wende gibt es zentrale Unterschiede zwischen den beiden Regionen. Ostdeutsche erhalten zum Beispiel durchschnittlich 17 Prozent weniger Lohn als ihre westdeutschen Kolleg:innen. Eine Ursache hierfür ist auch die zerstückelte Tariflandschaft im Osten sowie eine Wirtschaftsstruktur, die vorrangig auf Filialen, also Firmennebensitzen basiert. Denn viele Unternehmen haben nur ihre Zweigstellen in Ostdeutschland, während sich der Hauptsitz nach wie vor im Westen befindet. Genau dadurch bleiben jedoch auch 25 Jahre nach der Wende die wirtschaftlichen Abhängigkeiten von den sogenannten „alten Bundesländern“ erhalten und schreiben sich weiterhin fest in die ostdeutsche Gesellschaft ein.

Genau diese und weitere Ungleichheiten wollen wir auf der Konferenz zum Thema machen und darüber hinaus ausloten, welche politischen Anknüpfungspunkte sich daraus ergeben können. Die Konferenz soll insofern nicht nur einen Raum für Austausch bieten, sondern auch ein Kennenlernen ermöglichen, aus dem bestenfalls eine gemeinsame politische Praxis erwächst.

Was habt ihr für die Konferenz geplant? Was erwartet die Teilnehmenden?

Wir haben für die Konferenz ein abwechslungsreiches Programm aufgestellt. Es gibt verschiedene Panel zu unterschiedlichen Themen. Zum Beispiel wird es einen Workshop zu der Frage geben, inwiefern es Potenziale für eine sozialistische Utopie im Osten gibt oder was das Spezielle der ostdeutschen Wirtschaft ist. Für diese und weitere Themen haben wir zwei Workshopphasen sowie eine abschließende Podiumsdiskussion geplant. Als Gäste konnten wir nicht nur hochkarätige Wissenschaftler:innen wie Prof. Klaus Dörre oder Prof.in Stefanie Hürtgen gewinnen, sondern zum Beispiel auch populäre Persönlichkeiten wie den linken Podcast-Star Ole Nymoen. Wir erhoffen uns davon, ein breites Publikum anzusprechen und viele verschiedene Perspektiven zusammenzubringen.

Ihr habt schon erwähnt, dass ihr euch auch mit der Intel-Ansiedlung in Magdeburg auseinandersetzt und den kritischen Diskurs mit dem Halbleiter-Giganten sucht. Wie blickt ihr auf Intel in der Landeshauptstadt?

Eine abschließende Antwort auf diese Frage können und wollen wir bisher nicht geben, denn noch steckt das Vorhaben in den Kinderschuhen und die Würfel über die politische, soziale und wirtschaftliche Ausgestaltung sind bis jetzt noch nicht gefallen. Welche Entwicklungspfade sich für die Region ergeben, wird letztlich auch vom Druck abhängen, der auf die politischen Entscheidungsträger:innen und den Chip-Konzern wirkt. Trotz dieser relativen Offenheit der aktuellen Situation betrachten wir die Ansiedlung kritisch, weil sie für uns Ausdruck einer anhaltenden, ökonomischen Abhängigkeit des Ostens von externen Kapitalen ist. Dadurch werden die politischen und gesellschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Osten stark eingeschränkt. Hinzu kommt, dass die ökologischen und sozialen Folgen der Ansiedlung bisher noch nicht abschließend geklärt sind. Es muss gefragt und geklärt werden, woher das Wasser für die Chipproduktion kommt, wie viel Gewerbesteuer in der Region bleibt, ob es eine betriebliche Interessenvertretung geben wird oder wie sich die Mietpreise in Magdeburg entwickeln. Mit diesen und weiteren Fragen befassen wir uns aktuell und versuchen, erste Antworten zu finden.

Plant ihr hier auch konkrete Aktionen?

Konkrete Aktionen haben wir bisher noch nicht geplant, was jedoch nicht heißt, dass von uns in Zukunft keine zu erwarten sind. Unser Fokus liegt bei den potentiellen Folgen des Ansiedlungsprozesses vorerst auf der kritischen Analyse der aktuellen Situation sowie einer Mitgestaltung der politischen Diskussion in Magdeburg. Denn bisher wird beim Thema Intel gerne das Blaue vom Himmel versprochen. Wir betrachten die Situation jedoch deutlich differenzierter. Hierfür stellen wir aktuell auf Instagram beispielsweise Thesen zur Intelansiedlung zur Diskussion und freuen uns über einen regen Austausch mit anderen Magdeburger:innen.

Wie können euch Interessierte erreichen, wenn sie Lust haben, bei euren Themen und Veranstaltungen mitzumachen?

Wir sind entweder über unsere Homepage www.sozialkombinat-ost.de erreichbar oder über unsere Social-Media-Kanäle. Wir freuen uns immer darüber, wenn Personen Interesse an unserer Arbeit haben und schätzen den Austausch. Falls ihr Hinweise, Anmerkungen oder Ideen habt, meldet euch gerne bei uns.

Vielen Dank für eure Arbeit und das Gespräch!