Die Straßen werden holpriger, die Sitze leeren sich zunehmend und die Straßenbahnlinie 2 nähert sich ihrem Ziel. Steigt man schließlich am Salbker Platz aus, erwartet einen eine recht dörfliche Umgebung. Eine Schule samt Sportplatz, Neubauten und eine Kirche säumen die Wege. Mittendrin das Gröninger Bad – ein waschechtes früheres Volksbad. Von der Hauptstraße kaum einsehbar, verwundert es kaum, dass das Gröninger Bad wenigen Magdeburger*innen ein Begriff ist. Dabei können sich Musikbegeisterte über ein breites Angebot freuen. Es gibt zwei professionell ausgestattete Proberäume, die gemietet werden können (dank Förderprogramme für U27-Generationen sogar sehr günstig). Sowohl ein Tonstudio als auch ein Filmstudio werden von Gregor Schienemann und seinem Team aus Musiker*innen, Medien- und Musikpädagog*innen betreut. Er gründete 1991 die „Gesellschaft zur Förderung junger Musiker“, bei der es schon damals um die Vernetzung junger talentierter Musiker*innen aus Magdeburg und Umgebung ging. Der Musikpädagoge ist heute pädagogischer Leiter des Gröninger Bad, welches heute unter dem Titel „Aktion Musik e.V.“ sieben feste Mitarbeitende einschließt. Das Team ist auffallend aufgeschlossen und wer durch die Tür tritt, blickt in die Gesichter großer Musiklegenden. Poster, Fotografien und Musikinstrumente zieren die Wände. „Rock-N-Roll-Alley“ prangt es über einem der zahlreichen Büroräume, die sich auf drei Etagen verteilen.
„Auf den ersten Blick sind wir eine reine Kultur-Einrichtung“, so Geschäftsführerin Kerstin Reibold. Tatsächlich handele es sich um eine sozialpädagogische Institution, ein landesweiter Träger der Jugendhilfe unter Mitgliedschaft beim Parität Sachsen-Anhalt, räumt sie mit dem vereinheitlichenden Vorurteil auf. Workshops mit Percussion oder zur Entwicklung von Rock-Musik, Blues oder Jazz sind nur wenige Beispiele ihrer Arbeit. Stolz wird uns ein kleiner französischsprachiger Spielfilm über unsere Elbestadt im Mittelalter gezeigt. Schüler*innen einer hiesigen Grundschule sammelten Ideen, entwickelten zusammen mit den Expert*innen ein Storyboard und standen sowohl vor als auch hinter der Kamera. Nach einem guten Jahr Arbeit konnten alle Beteiligten die Premiere ihrer Ergebnisse im Moritzhof feiern. „Es geht um Persönlichkeits-Entwicklung“, so Reibold. Die Kritik der anderen Künstler*innen akzeptieren können, den Mut haben, auf die Bühne zu gehen … All das stärke die Kinder und Jugendlichen.
Als Producer im Team steht Holger „Holly“ Hoffmann zur Verfügung. Dieser berichtet strahlend von der 1. Fernsehsendung des Gröninger Bad, welche Anfang Dezember 2018 von Rostock bis zum Ruhrgebiet ausgestrahlt und auf dem hauseigenen YouTube-Kanal veröffentlicht wurde. Produziert wird diese als regelmäßiges Format im hauseigenen Fernsehstudio ganz oben im Gebäude. Neben Jürgen Schienemann, dessen Tonstudio sich direkt darunter befindet, muss Wolfgang Schienemann als letzter „Schienemann“ in der Reihe unbedingt noch erwähnt werden. Auch mit 85 Jahren ist er voller Leidenschaft für die „MusiCids“ zuständig, ein dreitägiges Angebot für Schulklassen und andere Kleingruppen ab 10 Jahren. Auch Bill Kaulitz, Leadsänger der Rockband Tokio Hotel -heute eine der kommerziell erfolgreichsten Bands im deutschen Sprachraum- wurde im Rahmen einer Zusammenarbeit mit seiner Musikschule entdeckt.
Ihr habt Lust bekommen, mitzumischen? Kein Problem. Für einen Pop-Chor in Magdeburg werden noch ein*e Chorleiter*in und viele motivierte junge Menschen gesucht, die sich für das Singen moderner Pop-Hymnen von Michael Jackson bis Ed Sheeran begeistern können. Eine temporäre Förderung der Schweizer „Drosos-Stiftung“ ermöglicht es dem Team, junge Interpreten und Bands jeweils für ein Jahr intensiv zu unterstützen. Dazu gehören drei professionell eingespielte Titel, ein Musikvideo und ein Live-Mitschnitt.
Oder ihr schaut einfach Donnerstagnachmittag vorbei. Da bekommt ihr die Möglichkeit, Einblicke in Regie, Ton und Schnitt zu bekommen. Aber auch auf den Zuschauerplätzen wird euch Einiges geboten. Bei den einmal im Monat stattfindenden Clubkonzerten geben Musiker*innen aus Nah und Fern ihr Talent zum Besten. Abgerundet mit netten Menschen und ausgelassener Stimmung kann man den Feierabend wohl kaum schöner verbringen. Auch an der Werbe-Front geht es langsam bergauf für die Leute vom Gröninger Bad: Auf drei LED-Wänden in der Stadt werden die Clubkonzerte promotet. Weitere Informationen zu den Projekten und Veranstaltungen findet ihr auf der Homepage des Gröninger Bad.
Mit Blick auf die Bauskizze des geplanten Anbaus sieht das Team freudig in die Zukunft. Weitere 120 Quadratmeter stehen dann zur Verfügung und die Tage des alten Konzertraums werden gezählt sein, an denen die Kinderkulturtage oder die bereits angeführten Clubkonzerte in anderen Räumlichkeiten veranstaltet werden mussten. Es ist zu erwarten, dass dann der Standort des Bades mehr Aufmerksamkeit erfährt. Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, dass das Thema Erreichbarkeit einige Schwierigkeiten mit sich bringt. Umso hoffnungsvoller wendet man sich an die Stadt, doch Hinweisschilder seitens der Hauptstraße anzubringen und die hiesige Straßenbahn-Haltestelle umzubenennen. Auch wir können diesen Wunsch nur bekräftigen. Einen Vormittag lang durften wir ein wunderbar freundliches und engagiertes Team kennenlernen und uns von ihrem sowohl technisch als auch kreativ anspruchsvollen Repertoire überzeugen lassen. Auf dass es demnächst (nicht nur) in der Straßenbahnlinie 2 heißt: Nächste Station: “Gröninger Bad”.
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