Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Und wortwörtlich wird es nicht zuletzt beim Thema Ernährung zunehmend für Menschen wichtig, wo und wie ihre Nahrung produziert wird. Dabei begegnen einem immer wieder die Wörter “saisonal, regional, bio”. 

Einige von euch kennen bestimmt bereits die Biokiste, waren schon einmal auf dem Wochenmarkt am Alten Markt oder kaufen in einem unserer Bio- und unverpackt-Läden in Magdeburg ein. Nun gibt es noch ein neues Projekt namens “SoLaWi Vielfeld e.V.”, für das am kommenden Samstag, den 15.02.20, im HOT Alte Bude eine Informationsveranstaltung samt Soli-Konzert stattfindet.

Magdeboogie hat sich im Vorfeld mit Leonie und Sabine von der “SoLaWi Vielfeld e.V.” getroffen und für euch mal genauer nachgefragt, was es denn damit auf sich hat.

 

Hallo Leonie, Hallo Sabine. Schön, dass ihr euch Zeit genommen habt. Könnt ihr euch kurz vorstellen, wer ihr seid und erzählen, wie ihr zu dem Projekt kamt?

Sabine: Ich habe hier in Magdeburg Umweltpsychologie im Master studiert und mich in meiner Masterarbeit mit dem Thema beschäftigt, wie man Kindern Landwirtschaft näher bringen kann. Nebenbei habe ich damals auf dem Markt gearbeitet und dort mitbekommen, wie schwierig es für Landwirt*innen sein kann, z.B. in trockenen Zeiten, wenn die Ernte schlecht ausfällt; und wie abhängig sie von den Verkäufen sind. Auf einem Klimacamp haben wir im Rahmen eines Workshops von solidarischen Landwirtschaften (SoLaWi) in anderen Städten, wie Leipzig erfahren. Das Konzept hat uns voll begeistert. Ein Freund hat dann vorgeschlagen, ob wir hier nicht auch so etwas starten wollen. 

Leonie: Ich habe ökologische Landwirtschaft in Eberswalde studiert. Über Sabine und ein paar weitere aus dem Bekanntenkreis hatte ich davon erfahren, dass sie sich treffen und über die Idee der solidarischen Landwirtschaft sprechen wollten. Zu dem Zeitpunkt war ich gerade mit meinem Freund auf Reisen. Doch ich fand die Idee total spannend, was da so am entstehen war. Praktischerweise konnten wir von unterwegs die Protokolle lesen und es mitverfolgen. Als wir dann im April letzten Jahres wiederkamen, sind wir direkt zum Treffen gegangen. Ab dann waren wir auch dabei. 

 

Was bedeutet denn eigentlich genau “solidarische Landwirtschaft”? Was können sich Menschen darunter vorstellen? Wie wollt ihr das umsetzen?

Leonie: Das solidarische hat verschiedene Ebenen. Das Grundprinzip der SoLaWi ist, dass die Menschen, die das Gemüse verbrauchen, sich solidarisch zeigen, mit denen, die das Essen anbauen. Als eine Art Verbrauchergemeinschaft – wobei man nicht nur Verbraucher ist, sondern auch mithilft beim Produzieren – lässt man die Landwirt*in, die Gärtner*in nicht alleine das Risiko für den Anbau tragen. Da Landwirt*innen ihre Anbauplanung für ein Jahr machen, können bei Ernteausfällen oder bei zu wenigen Abnehmer*innen, wenn die Ernte reif ist, finanzielle Einbuße entstehen. Bei einer SoLaWi findet sich eine Gemeinschaft, die für ein Jahr im Vorhinein zusagt, Erträge abzunehmen und die entstehenden Kosten dafür zu decken. Auf der anderen Ebene besteht die Möglichkeit, auch innerhalb der Gruppe solidarisch zu sein. Das heißt, dass je nach finanzieller Lage einige Gruppenmitglieder mehr oder weniger geben können und dies von der Gemeinschaft getragen wird. 

 

Könnt ihr ein wenig mehr erzählen, wie es von der Idee zur Umsetzung weiterging?

Sabine: Als erstes war uns wichtig, erstmal eine Gruppe zusammenzufinden. Wir haben die Idee an potentielle Interessierte in unserem Bekanntenkreis gestreut. Schon beim ersten Treffen waren wir überrascht, dass gleich 10 Leute kamen. Wir haben einen Filmabend über solidarische Landwirtschaft veranstaltet und sind danach ins Gespräch gekommen. Im Januar 2019 haben wir dann ein Kickoff-Treffen gemacht, bei dem wir uns an einem Wochenende zusammengesetzt haben. Als Gruppe haben wir uns Visionen überlegt, wo wir hin wollen. Die Idee war zunächst ein paar Leute zu Vorträgen einzuladen, die bereits Erfahrungen damit hatten. Dazu haben wir u.a. jemanden aus einer SoLaWi in Leipzig eingeladen. Zu einer dieser Veranstaltungen, die wir organisiert hatten, kamen dann sogar einige Landwirt*innen, die sich eine solidarische Landwirtschaft auf ihren Betrieb vorstellen konnten. Darunter war Sebastian, mit dem wir uns von Anfang an gut verstanden. Er lud uns ein, seinen Hof zu besuchen. Vor Ort hat uns alles sehr gut gefallen. Da wir gleiche Ideen von einer SoLaWi hatten, haben wir uns dann entschlossen, mit ihm das zu starten. 

 

Wie viele seid ihr aktuell?

Sabine: Aktuell sind wir ungefähr 13 Leute. Als es im Prozess dann deutlicher wurde, dass wir zusammen mit Sebastian die Unternehmung starten wollen, haben wir dann AGs innerhalb der Gruppe gegründet: eine fürs Gärtnerische, eine fürs Finanzielle und Rechtliche und noch eine für Öffentlichkeitsarbeit. Da sind wir richtig produktiv geworden.

Leonie: Man muss dazu sagen: Nachdem sich das schon anbahnte, dass wir das Projekt mit ihm zusammen machen wollten, schloss sich die Sommerpause an. Alle waren irgendwie verreist. Da bekamen wir die Nachricht, dass Sebastian einen Unfall hatte. Er war gestürzt und hatte sich den Kiefer gebrochen. Als Gruppe haben wir dann beschlossen, ihn zu unterstützen und die Krankheitsvertretung zu übernehmen. 6 Wochen lang war jeden Tag jemand aus der Gruppe auf dem Hof. Sebastian hat uns angeleitet und wir haben dann quasi den Hof geschmissen. Das war eine intensive Zeit, aber auch super, da wir Sebastian und den Hof mal in Ruhe kennenlernen konnten. Danach ging dann die heiße Phase los.

Sabine: Man hat richtig gemerkt, dass viele Spaß daran hatten, auf dem Hof zu arbeiten.

Leonie: Ja. Der Unfall war natürlich großes Unglück. Aber auch ein Stück weit Glück im Unglück so im Gesamtprozess. 

Sebastian ist also euer auserwählter Landwirt.

Leonie: Ja. Sebastian vom Gerwischer Gemüsegarten ist glücklicherweise schon Gemüsegärtner. Er ist ein Biogärtner, nach Demeter-Richtlinien. Die SoLaWi, die wir uns vorgestellt haben, soll ebenfalls erstmal den Fokus Gemüse haben. 

Sabine: Wir haben mit ihm in den letzten Monaten zusammen die Anbauplanung für dieses Jahr gemacht. Dabei haben wir jetzt 45 Anteile für die SoLaWi geplant.

 

Was bedeutet „45 Anteile“?

Leonie: 45 Ernteanteile. Das kann man sich vorstellen wie 45 Biokisten. 1 Anteil kann dabei eine Person sein, die jeden Tag total viel Gemüse isst oder auch eine WG, die sich den Anteil teilt. 

 

Als ihr gemeinsam den Anbauplan mit ihm gemacht habt, konntet ihr dabei nach euren Bedürfnissen Mengen und Sorten mitbestimmen?

Sabine: Genau. Wir haben gemeinsam geschaut, wann wir welches Gemüse in der Kiste haben wollen und wie viel davon. Anschließend haben wir das zurückgerechnet, wann wir was anbauen müssen. Und auch wie viel Fläche wir dafür benötigen. Das war ganz schön aufwendig, da außer Leonie wir anderen das uns erstmal beibringen mussten.

Leonie: Ich glaube im Endeffekt haben wir jetzt um die 46 verschiedene Kulturen. Also verschiedene Gemüsearten, als auch von denen verschiedene Sorten. 

      

Welche Fläche umfasst das Gebiet für den Anbau der SoLaWi?

Leonie: Sebastian hat bisher auf einer Fläche von 1,2 ha gewirtschaftet. Ihm steht aber noch mehr Land zur Verfügung, da er den Hof seiner Eltern übernommen hat. Aber um für die 45 Anteile das ganze Jahr Gemüse anzubauen, braucht man gar nicht so viel Fläche. Etwa 6.000 qm, also 0,6 ha reichen.

 

Ihr habt euch erstmal für Gemüse entschieden. Ist auch geplant, zukünftig Obst anzubauen?

Leonie: Wir können uns gut vorstellen, auch Obst anzubauen und auch auf andere Produkte auszuweiten. Jetzt war erst einmal der Fokus Gemüse, um anzufangen. 

 

Wie häufig werden denn Ernten zu erwarten sein? 

Sabine: Das soll schon wöchentlich sein. Die Idee ist, an einem relativ zentralen Punkt in Magdeburg den Verteilerort zu legen. Alle, die sich für einen Ernteanteil angemeldet haben, können sich das dort dann abholen. Die Leute wiegen sich das Gemüse selber ab, wissen genau, was in ihre Kiste kommt und nehmen es dann einmal die Woche mit. 

Leonie: Dazu kommt natürlich auch die Idee, dass die Menschen wieder mehr Bezug zur Landwirtschaft bekommen. Es soll im Verlauf auch Mitmach-Aktionen geben, bei denen man dann anpacken kann.

Sabine: Damit man auch weiß, wie viel Arbeit dahinter steckt und man es mehr wertschätzen kann. 

 

Jetzt sucht ihr gerade noch Leute, die sich mitbeteiligen. Wie läuft das denn ab, wenn man sich gerne anschließen würde? Muss die Person in den Verein eintreten? 

Sabine: Man kann unterschiedlich mitmachen. Im Moment suchen wir noch Leute, die Ernteanteile mit übernehmen. Das heißt, die Kisten beziehen und manchmal auf Ernteeinsätze mitmachen. Aber es gibt auch die Möglichkeit, sich unabhängig davon in der Gruppe zu engagieren. Wir müssen beispielsweise als Gruppe noch die Verteilung organisieren, die Einsätze koordinieren. Es fallen immer noch andere Aufgaben an, wo man noch unterstützen kann.

Leonie: Wenn man einen Ernteanteil haben will, muss man schon in den Verein eintreten, da wir ein Rechtskonstrukt finden müssen, wie wir von Sebastian das Gemüse beziehen. Wir haben uns jetzt erstmal für die Vereinsform entschieden. Der Verein kauft Sebastian das Gemüse ab und verteilt es dann intern. Jede*r hat dann einen Vertrag über ein Jahr mit dem Verein.

 

Wie hoch ist aktuell der Beitrag?

Leonie: Wir sind noch am diskutieren, ob wir eine Bieter*innenrunde machen. Das heißt, dass wir einen Richtwert nennen, wie viel es im Schnitt kosten muss, und jede*r verdeckt dann sagen kann, wie viel sie*er geben kann. Aber an sich ist der Richtwert 90€ pro Anteil pro Monat.

 

Das sind dann 4-5 Kisten im Monat, also etwa 20€ pro Kiste. Ähnlich wie eine Biokiste, nur dass man sich ein Jahr lang verpflichtet.

Leonie: Ja. Es ist notwendig, sich für ein Jahr zu verpflichten, da es sich im gärtnerischen Anbau immer um ein Jahr dreht: mit Anbau, Planung, Jungpflanzen einkaufen etc. Wenn jedoch jemand innerhalb des Jahres austreten will, muss eben für Ersatz gesorgt werden. Wobei wir als Verein dabei natürlich unterstützen und niemanden damit alleine lassen.

 

Also überschlagen, sucht ihr noch Abnehmer für etwa 35 Anteile. Das sind so 40-50 Leute?

Leonie: Im Verein sind jetzt ungefähr Abnehmer von etwa 5-6 Anteilen. Da es sehr individuell ist, wie viel Gemüse jede*r so isst, können wir nicht sagen, ob ein Anteil für eine Person oder auch drei ausreicht. Aber es sind immer zwischen 1,5 und 2,5 kg. 

Sabine: Es ist aber auch möglich, sich untereinander einen Anteil zu teilen, wenn man alleine zwar mitmachen möchte, aber vielleicht nicht so viel Gemüse pro Woche schafft. Das würden dann die Mitglieder untereinander organisieren können.

Leonie: Für die Infoveranstaltung am Samstag haben wir auch vier beispielhafte Bilder von Kisten herausgesucht.

 

Nun wird am Samstag eure Infoveranstaltung im HOT stattfinden. Leute kommen dahin, können sich das anhören und Fragen stellen. Wann ist denn für Interessierte der späteste Zeitpunkt, für dieses Jahr einzutreten?

Leonie: Der 29.März, wenn die Mitgliederversammlung ist. Das ist dann eine Hauptversammlung, zu der nochmal alle kommen müssen. Danach ist dann erstmal Schluss. Aber Interessierte können natürlich auch mit Leuten sprechen, die einen Anteil haben und wenn diese mal im Urlaub sind, die Vertretung sein. Ansonsten kann man auch von Sebastian direkt kaufen. Und nachdem wir dann im März die Anteile verteilt haben, wird es ab Mai dann Gemüse geben!

 

Wie viele Menschen erwartet ihr etwa am Samstag?

Leonie: Es ist schwer abzuschätzen, wie viele Samstag kommen werden. Wir haben allerdings schon 70 Menschen, die unseren Newsletter abonnieren. Die wissen auf jeden Fall Bescheid. Dann haben wir in den meisten Bioläden unsere Plakate aufgehangen und eine Facebookveranstaltung erstellt. 

 

Das klingt durchaus zuversichtlich, dass die Anteile schon bald ausgebucht sein werden. Was würde passieren, wenn mehr Leute als für die 45-50 Anteile zusammenkommen?

Leonie: Das haben wir uns auch schon mal gefragt. Wahrscheinlich müssen wir dann eine Warteliste machen fürs nächste Jahr. Im Herbst würden wir dann dementsprechend für das kommende Jahr erweitern und neu planen.

 

Könnt ihr zum Abschluss noch kurz beschreiben, was die Besucher am Samstag erwarten können? 

Sabine: Es wird einen Vortrag geben, bei dem die verschiedenen AGs vorstellen, was sie thematisch erarbeitet haben. Sebastian wird da sein und seinen Hof vorstellen. Dann wird es verschiedene Tische geben, an denen die Leute einzelne Fragen an die AGs stellen können (World Café). Und auch ein Speeddating zum Kistenteilen ist geplant. Bei dem können sich dann Leute finden, die sich ein Anteil teilen könnten. Am Ende der Infoveranstaltung gibt es dann noch Konzerte und Party im HOT.

Das hört sich gut an. Da wünschen wir euch viel Erfolg für Samstag und bedanken uns für das Interview!

 

Wenn ihr neugierig geworden seid, noch weitere Fragen habt und die Idee unterstützen wollt, kommt am Samstag ab 16 Uhr ins HOT Alte Bude. Hier könnt ihr die Leute hinter dem Projekt kennenlernen und mehr in den Austausch kommen. Ab 19 Uhr startet dann das Konzert-Programm von Soli-Konzerte Magdeburg. Der Eintritt ist auf Spendenbasis.

 

(c) alle Fotos wurden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom Verein „SoLaWi Vielfeld e.V.“, vertreten durch Leonie Steinherr.