Foto: Ron Hartmann

Kurzweilig, nah, intensiv und fasziniert verzettelt sich das Publikum im Tagebuch eines Wahnsinnigen.

Beamt*innen bewegen sich stets in dem, von Gesetzen und Vorschriften geschaffenen Rahmen. Selbst, wenn der Inhalt nicht viel zu bieten hat, außer Akten oder wie im Bühnenbild zu „Tagebuch eines Wahnsinnigen“ 700 weiße A4-Blätter. In diesem Ein-Personen-Stück agiert Christoph Förster in der Rolle des Propristschin. Dabei ist er in der Lage durch sein Spiel sowohl Spannung zu erzeugen als auch Entspannung hervorzurufen. Timing ist hier eine wichtige Sache, um die Monotonie des bürokratischen Apparats mit Charme zu beleben. Des Öfteren erlaubt die Inszenierung von David Czesienski (Prinzip Gonzo) den Blick auf schlagfertige, teils obszöne Gedanken, die der Protagonist jedoch nur im Zwiegespräch mit dem Publikum artikuliert und nicht den „Handelnden“ der Geschichte offenbart.

Propristschin denkt über die Menschen und ihre Anliegen nur das Schlimmste, während er für die Gedanken von Tieren wahres Interesse hegt, obgleich er sie bei näherer Betrachtung mitunter verachtet, um zum Schluss nach menschlicher Gesellschaft zu verlangen, denn der Austausch von Gedanken und Gefühlen ist das Wesen der menschlichen Schöpfung.

Anders als bei weiteren Stücken, die auf der Studiobühne gespielt werden, ist im vorliegenden der Nacheinlass zum Zuschauer*innenraum erlaubt. Die sich potentiell daraus ergebenden Störungen, bettet Christoph Förster souverän in sein Spiel ein und erschafft so eine weitere Facette des Wahnsinnigen.

An Herrn Propristschin lassen sich bereits ab Beginn des Stückes Zwänge erkennen. Er spielt fortwährend mit seinem Taschentuch und richtet seinen Pullunder ohne Unterlass her. Um sich selbst zu reglementieren, benutzt er eine Art Mantra.

Mumpitz! Fassung! Schweig still!

Nicht zu vergessen, der vorsichtige Umgang mit den weißen Blättern, als ob sie geordnet wären nach einem für die Zuschauenden unsichtbaren Prinzip. Dieses löst sich mit der Zeit auf und mit ihm die Vorsicht bei der Handhabung der Seiten.

Es gibt außer dem Papierkreis, dem darum gezogenen Rahmen, diversen Taschentüchern und dem Akteur keine weiteren Requisiten oder geräuscherzeugenden Elemente. Ebenso ist das Spiel mit dem Licht dezent und dient lediglich der Illumination des Protagonisten bzw. der Öffnung zum Publikum hin, als sich dieser seinem Wahn vollends hingibt.

Am 43. April als König von Spanien, Ferdinand VIII., erhebt er sich nun endlich über seinen Abteilungsleiter und ist ihm nicht nur fachlich, sondern auch vom Stande her überlegen. Sein wahres Wesen wird sichtbar und er ist nicht mehr bloß Mitarbeiter. Er hat es verdient, an der Spitze eines Landes zu stehen. Auf dem Weg dorthin wandelt das Stück auf dem Weg der Gesellschaftskritik und schneidet aktuelle Themen wie Feminismus an, ohne zu sehr mit dem Daumen draufzudrücken.