Viele Menschen wissen langsam nicht mehr, wie sie die steigenden Kosten für Lebensmittel, fürs Heizen oder Tanken bezahlen können. Die bundesweite Kampagne „Genug ist Genug“ hat sich deshalb aufgemacht, die enormen Preissteigerungen zu thematisieren und von Armut betroffenen Menschen eine Stimme zu geben. 

Was sind die Ziele der Kampagne „Genug ist Genug“ und wieso dieser Titel?

Wir vom Sozialkombinat Ost haben uns der Kampagne samt ihren Forderungen angeschlossen, weil wir es für unausweichlich halten, sich im Kontext der aktuellen Krisen gemeinsam zu organisieren. Die aktuellen Preisentwicklungen angesichts sinkender Reallöhne, die Klimakatastrophe, Pandemie und Kriege sind Themen, die die gesamte Gesellschaft betreffen. Daher ist breiter Protest notwendig, um klar zu machen, dass wir als Gesellschaft uns nicht zum Spielball der Interessen von Großunternehmen machen lassen und für echte Besserungen unserer Lage streiten. Unter den Forderungen von „Genug ist Genug“ versammelt sich eine breite Masse. Angelehnt ist das Motto an die Kampagne „Enough is Enough“ in Großbritannien, unter dem tausende Bürger:innen, Gewerkschafter:innen und Aktivist:innen auf die Straße gehen und Regierung sowie Krisenprofiteure unter Druck setzen. 

Welche Aktionen wurden von „Genug ist Genug“ in Magdeburg schon umgesetzt?

Im September haben wir mit den ersten Kundgebungen angefangen und auf die schweren gesellschaftlichen Folgen der Inflation aufmerksam gemacht. Dazu haben wir uns mit unseren Freund:innen von der Freien Arbeiter:innen-Union zusammengetan. Viele Menschen aus Magdeburg waren mutig und haben am offenen Mikrofon über ihre Situation gesprochen und ihre Meinung zu der aktuellen politischen Lage geäußert. Das waren sehr kraftgebende Momente für alle. Es folgten zwei Demonstrationen der Krisenvernetzung Magdeburg, der wir uns angeschlossen haben. 

Die meisten Menschen zeigen mit dem Finger auf die Bundesregierung, wenn es heißt Verantwortung für die enormen Preissteigerungen zu übernehmen. Wie seht ihr das? 

Natürlich ist die Politik in der Verantwortung, für die Bürger:innen zu sorgen. Wir sehen doch aber nicht erst seit der Inflation, dass Menschen mit ihren Problemen oftmals alleine bleiben und weder die Bundes- noch die Landesregierung(en) aktiv werden. Aktien-Konzerne fahren hohe Gewinne ein, schütten Rekord-Dividenden an ihre Aktionär:innen aus und die Menschen sollen im Kalten sitzen, sparen und sich maximal einschränken. Wenige profitieren, viele zahlen drauf. Das wird besonders in Krisenzeiten deutlich. Deswegen schließen wir uns zusammen, stellen Forderungen an die Politik und organisieren uns, um ein dringend notwendiges Gegengewicht aufzubauen. Wir müssen wieder stärker in politische Prozesse eingreifen, um dieses menschenverachtende Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zu überwinden.

Sachsen-Anhalt kämpft mit überdurchschnittlich hohen Preissteigerungen im bundesweiten Vergleich. Was kann auf lokaler Ebene getan werden, damit niemand in Armut abrutscht? Welche Teile unserer Gesellschaft trifft die Inflation wirklich?

Wir brauchen schnelle Hilfe für armutsbetroffene und von Armut bedrohte Menschen. Die bisherigen politischen Maßnahmen der Bundesregierung reichen nicht aus. Auf Landesebene gab es bisher so gut wie keine Beschlüsse, die den Menschen in Sachsen-Anhalt irgendwie weiterhelfen. Das kann einfach nicht sein. Schon wieder werden in der Krise besonders vulnerable, gefährdete Gruppen vernachlässigt. Deswegen fordern wir einen Sozialfonds für Magdeburg – oder besser noch – für ganz Sachsen-Anhalt. 

Wie soll ein solcher Sozialfonds denn aussehen? Ist das überhaupt umsetzbar? 

Ja, denn es gibt bereits in vielen anderen Städten Sozialfonds, etwa in Halle. Der Sozialfonds soll schnell und unbürokratisch finanzielle Unterstützung für Menschen in Magdeburg zur Verfügung stellen, damit keine Wohnung kalt bleiben muss. Dazu muss der Sozialfonds im Haushalt der Stadt berücksichtigt und mit Geldern hinterlegt werden. Das ist aber leider bisher nicht der Fall. Wir sind dazu mit einigen Stadtratsfraktionen im Gespräch und werden unsere Forderungen auch auf die Straße tragen! 

Ihr plant am 19. Dezember ein großes Event im Magdeburger Oli-Kino, eine „Rally“ unter dem Motto „Genug ist Genug“. Was steht dahinter und lohnt es sich, hier dabei zu sein?

Die Rally ist auch für uns ein komplett neues Format und steht unter dem Motto: Zusammenkommen, Zuhören, Austauschen, Organisieren“. Und genau das wollen wir machen! Wir laden alle Menschen dazu ein, ins OLi-Kino zu kommen und den Redebeiträgen von Personen zuzuhören, die besonders von den Krisen und Folgen der Inflation betroffen sind: Wir konnten zum Beispiel den Kulturschaffenden Lars Johansen gewinnen, um uns einen Einblick in die Folgen für die Kulturwirtschaft zu geben. Aber auch prekär Beschäftigte und Personen aus dem Gesundheitswesen sowie Studierende kommen zu Wort. Das Mikrofon ist offen und alle können ihre Erfahrungen teilen. Es gibt im Anschluss auch die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden und sich zusammenzuschließen. Denn zusammen können wir mehr erreichen!

Vielen Dank für das Gespräch!