Am 24. Februar jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine. Am Vorabend lädt das Schauspielhaus Magdeburg zu einer Filmpremiere und einem Konzert mit der Jazzmusikerin Ganna Gryniva ins Kasino ein.
Der Österreichische Rundfunk betitelte sie zuletzt als „Stimme des ukrainischen Widerstandes. Eine der eindrucksvollsten Sängerinnen und Musikerinnen der europäischen Jazz- und Weltmusikszene“. Mit ihrem neuen Album „Home“ hat sie es aktuell auf die Longlist des Preises der Deutschen Schallplattenkritik in der Kategorie Jazz II (zeitgenössischer Jazz) geschafft.

Die Sängerin Ganna Gryniva in einem Wald

Ganna Gryniva © Lena Thiemann

Die Veranstaltung findet im Rahmen der Mонітор Ukraine Reihe am Schauspielhaus statt. Wir wollten mehr über dieses spannende Format und die Veranstaltung am 23. Februar erfahren und haben nachgefragt:

Welche Menschen stecken hinter dem Veranstaltungsformat?

Die Orga machen wir mit einem kleinen, offenen Team. Mit dabei sind u.a. Clara Weyde von der Schauspielleitung, Philipp Kronenberg aus dem Ensemble und Dramturgie-Assistent:in Bo Wilschnack.
Einige von uns haben gute Freund:innen in der Ukraine, haben dort gearbeitet und Theater gemacht. Mit dem Monitor Ukraine wollen wir Menschen aus der Ukraine eine Bühne geben, die seit Langem, grade erst oder nur vorübergehend in Magdeburg sind.

Wann hattet ihr die Idee für das Format? Wie verlief die Implementierung in den Spielplan der neuen Saison?

Mitten in den Planungen für die Spielzeit traf uns im letzten Februar der Schock des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine. Es war schnell klar, dass wir uns inhaltlich mit dem Spielplan des Theaters dazu positionieren wollen: Unsere Solidarität gilt den Ukrainer:innen vor Ort und den Geflüchteten sowie all denen, die gegen der Krieg protestieren.
Mit der Reihe Monitor Ukraine als regelmäßige Serie, möchten wir uns mit diesen Menschen – über eine einmalige Soli-Veranstaltung hinaus – vernetzen und austauschen.

Warum heißt es Mонітор / Monitor?

Wir haben einen Namen gesucht, der im Deutschen und Ukrainischen nicht nur ähnlich klingt und die selbe Bedeutung, sondern auch eine ähnliche Schreibweise hat. Und beim Wort Mонітор = Monitor geht es natürlich auch um den Blick auf etwas: Es geht darum Dinge und Menschen auf die Bildfläche zu holen.

Was ist euch bei dem Format wichtig? Was möchtet ihr dem Publikum zeigen?

Die Reihe spricht ein diverses, internationales, nicht nur deutsch-ukrainisches Publikum an und öffnet das Schauspielhaus als Begegnungsort. Wir wollen – nicht ausschließlich über den russischen Angriffskrieg und seine Gräuel erzählen – sondern nachhaltig für Sichtbarkeit der reichen ukrainischen Kultur sorgen.
Wir wollen ihre Vielfalt und Lebendigkeit zeigen und uns ihre ganz akute, gezielte Bedrohung deutlich machen. Dazu gehen wir in Austausch mit unterschiedlichsten Menschen, Generationen, Kunstformen und Genres.

Inwieweit können Kunst, Musik und Performativität vielleicht auch dazu beitragen, die Geschehnisse einzuordnen und zu reflektieren?

Wir hoffen, dass Monitor Ukraine dazu einlädt, sich die Welt ein bisschen neu anzugucken. Im besten Fall bringt uns das in Begegnung mit Ideen, Gedanken und Dingen, die wir im Alltag übersehen oder vergessen.
Ein Theaterabend oder ein Konzert kann aber auch einfach ein Erlebnis und guter Anlass sein, um zusammen zu kommen und sich auszutauschen. Darüber was uns jenseits von brutalen Nachrichtenbildern oder schnellen Social-Media-Posts beschäftigt, berührt und verbindet.

Wie geht ihr bei der Auswahl der Künstler:innen vor?

Wir im Team kennen tolle Theaterschaffende und Musiker:innen in Kyiv, Lviv und Rivne, die wir seit Anfang der Spielzeit einladen durften. Auch in Magdeburg haben wir jetzt inspirierende neue Menschen kennen gelernt, wie zum Beispiel den ukrainischen Frauenchor „Ми з Украіни“.
Wir probieren also abwechslungsreiche, besondere Beiträge und Gastspiele zu ermöglichen, die zum Theater und der Stadt passen.

Wie viele Veranstaltungen fanden bereits statt und was haben wir da verpasst?

Seit unserem Neustart im September haben wir jeden Monat einen Monitor-Abend gemacht, zu denen wir sehr unterschiedliche Gäste hatten: Von politischer Elektro-Perfomance, über Impro-Jazz-Solos und einer Werkschau zweier junger ukrainischer Filmemacherinnen, über die Bürger:innen-Produktion von Dorothea Lübbe, zur Lesung ukrainischer Mythen und Märchentexte.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Jazzkünstlerin Ganna Gryniva? Was erwartet die Zuschauer:innen an diesem Abend?

Auf dem nächsten Monitor Ukraine Ende Februar freuen wir uns besonders: Mit Ganna Gryniva kommt eine tolle Künstler:in, die in ihrer Musik scheinbare Gegensätze vereint: Feiner Sound mit kraftvollen politischen Inhalten; traditionelle ukrainische Melodien mit modernen Gesang; virtuosen Vocal-Jazz mit Loopmachine und subtiler Elektronik.

Im Schauspielhaus zeigt Ganna zusammen mit dem Magdeburger Filmemacher Peter Bräunig zusätzlich zum Live-Konzert ihre Kurzfilm-Doku „Spivanka“ als Premiere. In liebevollen Bildern erkundet der Film auf einer musikalischen Spurensuche das Spannungsfeld zwischen Folklore und Politik. Philipp kennt Ganna von Konzerten aus Hannover und Berlin.
Und wer sich in letzter Zeit mit ukrainisch-deutscher Musik und Kultur beschäftigt hat, der kommt an ihr eh nicht vorbei!

Der Abend ist wie immer „Pay what you can“. Wir laden also alle im Publikum herzlich ein, selbst zu entscheiden, wieviel Eintritt sie geben können und wollen. Das gesammelte Geld ermöglicht uns, die Reihe weiter zu finanzieren, um auch in Zukunft tolle Gäste einladen zu können.

Wen möchtet ihr mit diesem Format ansprechen?

Alle können – ohne Vorverkauf – einfach und spontan vorbeikommen. Das Publikum mischt sich aus Alt- und Neu-Magdeburger:innen, aus Menschen mit junger Migrations- oder vergangener Fluchtgeschichte; aus Theaterstammgästen und frisch Interessierten. Die Abende sind größtenteils mehrsprachig, Film- und Wortbeiträge werden Deutsch und Ukrainisch untertitelt. Die Nachgespräche halten wir in einfachem Englisch, wobei auch immer genug Personen zum Übersetzen ins Deutsche oder Ukrainische einspringen.
Die Bar im Kasino hat übrigens auch immer offen!

Welche Veranstaltungen sind über den Februar hinaus geplant?

Für März organisieren wir grade eine Vernissage und Kunst-Ausstellung: Am 16.3. veröffentlicht das RoomBoom Kollektiv bei uns ihr Soli-Magazin „It concerns all of us“ und macht das Kunstheft in einer Raum-Installation im Schauspielhaus begehbar. An verschiedenen Stationen lernen wir ukrainische und internationale (Streetart-)Künstler:innen kennen. Begleitet wird die Ausstellung von einem Podiumsgespräch und Live-DJs. Der Erlös der Magazinverkäufe fließt in ukrainische Hilfsprojekte.
Infos zu den weiteren Abenden gibt’s auf www.theater-magdeburg.de oder aktuell über unseren Instagram-Kanal @theatermagdeburg.

Zum Abschluss: Für welche Momente oder auch Verbindungen seid ihr dankbar?

Super froh sind wir über den inspirierenden Austausch mit den Künstler:innen, über die Gespräche mit dem offenen, wachen Publikum, für die Nachfragen und Anregungen. Wir sind dankbar für das Interesse der Besucher:innen, auch an sperrigen, traurigen und fordernden Inhalten, für den Austausch über Themen wie Freiheit, Frieden und Demokratie. Und für das Feedback aus der ukrainischen Community in Magdeburg, für die Kraft und Lebendigkeit dieser Menschen. Wir freuen uns sehr über jede einzelne Begegnung und darüber, wieviel unterhaltsame Konzerte und Shows wir zu Gast haben dürfen!

Wir danken Philipp Kronenberg für die Auskünfte und wünschen noch viele inspirierende Veranstaltungen!

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Text: Tobias Bachmann