Das schöne Leben. Tropical Space Station

Im Juni heißt es wieder: „bühnenfrei“. Dann feiert das neue Stück der gleichnamigen Theatergruppe Premiere. Unter dem Titel „Das schöne Leben. Tropical Space Station“ dreht sich diesmal alles um die Umsiedlung der Menschheit ins Weltall und den menschlichen Trieb nach technologischem Fortschritt. Die seit Menschengedenken existierende Sehnsucht nach der Reise in die Weiten des Kosmos ist mittlerweile keine Illusion mehr. Superreiche wie Elon Musk oder Jeff Bezos wollen schon bald Pauschalreisen ins All anbieten. Was das für den Rest der Menschheit bedeutet, thematisiert das neue Stück von „bühnenfrei“. Wir sprachen vorab mit Angela Mund (Regisseurin) und den Schauspieler:innen Moritz Meist (Wissenschaftler Thomas Schmidt), Gina Kneusel (Tochter Jule) und Leon Junghans (Sohn Darius).

Das schöne Leben – Tropical Space Station (c) Angela Mund

Hallo Angela, wie bist du als Regisseurin auf das Thema des Stücks, die Reise ins All, gekommen?
Angela: Ich habe mir den Raketenstart von Jeff Bezos angesehen, er trug einen Cowboyhut, am Ende gab es Sekt, es war wie eine große Party. Da habe ich mich gefragt, wieso auf einmal so viele Tech-Giganten und Milliardäre ins Weltall reisen wollen. Als ich dann anfing, mehr dazu zu recherchieren, stieß ich auf wahnwitzige Forschungsprojekte, aber auch auf ganze ideologische Mindsets wie den Posthumanismus, der das Konzept „Mensch“ gänzlich überwinden will. Elon Musk ist ein Anhänger davon. Bei seinen Zukunftskonferenzen sagt er auch ganz klar: „Die Erde ist durch, das Überleben der Menschheit wird im Weltraum stattfinden“. Seine Jünger:innen jubeln ihm zu, aber sie verstehen offenbar nicht, dass die Umsiedlung nur für einen ganz kleinen Teil stattfinden kann – sie werden definitiv nicht dabei sein und wir auch nicht. Doch was bedeutet all das für diejenigen, die zurückbleiben? Welches Menschenbild ist das? Lässt sich unter diesen Bedingungen überhaupt noch an ein schönes Leben denken? Wie ließe es sich herstellen?

In eurem Stück ist auf der einen Seite eine Familie, die versucht, den Individualismus zu überwinden, sich wieder neu zusammen zu finden. Auf der anderen Seite stehen ein Wissenschaftler und ein reicher Unternehmer, welche sich gemeinsam auf eine Reise zur internationalen Raumstation ISS begeben und die Zukunft der Menschheit verhandeln. Wie weit gehen die Vorstellungen dieser Protagonisten auseinander? Und welche der beiden Gruppen ist näher am wahren Leben?
Moritz: Gute Frage. Klar gibt es wohl mehr Familien als Wissenschaftler:innen oder reiche Unternehmer:innen auf unserer guten Erde, aber ich denke tatsächlich, dass beide Szenarien sehr nah am „wahren Leben“, also in unserer heutigen Gesellschaft existent, sind. Nur liegen die jeweiligen akuten Lebensrealitäten und damit natürlich auch die individuellen Sorgen und Bedürfnisse Lichtjahre auseinander. Ich glaube, gerade das ist das Spannende an der Darstellung dieses Kontrastes im Stück: inwieweit sich diese völlig unterschiedlichen Welten doch trotzdem ein Stück weit gegenseitig bedingen und wie unterschiedlich die großen Fragen der Menschheit verhandelt werden. Weil sie ja trotzdem alle auf ihre Art und Weise betreffen. Wer, wieso und was wir eigentlich sind und wie es mit uns und den Menschen, die uns wichtig sind, in Zukunft weiter gehen soll.
Leon: Ich finde, beide sind gleich am „echten Leben“ beteiligt. Die Auseinandersetzungen der Nachbarn und Familienmitglieder untereinander sind für die breite Masse der Menschen besser zu erschließen und nachzuvollziehen. Während die Diskussionen und Ansichten der beiden Raumfahrer einen philosophischeren und ideologischeren Charakter besitzen.

Das schöne Leben – Tropical Space Station (c) Angela Mund

Elon Musk hat verkündet, dass er spätestens 2028 Reisen zum Mars anbieten will. Bis 2050 will Musk rund eine Million Menschen zum Mars bringen. Ist das reiner Größenwahn? Würdet ihr als Theatergruppe Tickets buchen?
Moritz: Ich glaube, da müssen wir noch einige Male auf die Bühne, bis wir uns das leisten können, wenn es so weit ist. Klar, spannend wäre es allemal. Ob ich dauerhaft dortbleiben wollen würde, weiß ich nicht. Ich bin immer wieder fasziniert, was so alles möglich ist, gerade im Bereich der Raumfahrt, aber ich muss gestehen, rein technisch habe ich an solchen Aussagen trotzdem meine Zweifel. Ganz abgesehen, ob das damit verbundene Geld und die Mühen nicht anderswo sinnvoller investiert wären.
Leon: Für mich ist das weniger Größenwahn als purer Idealismus und Visionismus. Wenn dieser Mensch die Möglichkeiten und Mittel entwickelt oder besitzt, bin ich so neoliberal und denke, dass er es tun soll. Solange Dritte nicht darunter leiden. Man könnte jetzt hier eine klassische Kapitalismuskritik anfangen, das lasse ich aber.
Angela: Die Entwicklungen im Bereich Raumfahrt sind extrem fortgeschritten, ob es nun 2050 oder 2060 wird, ist in dem Fall nicht ausschlaggebend. Die große Frage ist doch, wollen wir zulassen, diesen Planeten derart zu zerstören, dass eine Umsiedlung tatsächlich notwendig wird? Oder wäre es nicht besser, die Forschungspotenziale und -gelder dafür zu nutzen, diesen Planeten und das Klima zu stabilisieren? Das muss öffentlich diskutiert werden. Ich persönlich denke, dieser Planet ist der einzige Ort, der für uns Menschen ein Lebensraum sein kann – der einzige. Strahlenschutzbunker auf dem Mars oder Langzeitflüge im Kryoschlaf sind für mich keine Alternative. Das ist kein schönes Leben, vielleicht nicht mal ein Leben.

Habt ihr Elon Musk und Jeff Bezos zur Premiere eingeladen?
Moritz: Gute Idee! Darauf sind wir tatsächlich noch gar nicht gekommen. Wäre eigentlich witzig. Aber vielleicht würde sie auch die Konfrontation mit unserer Version ihrer Realität überfordern. Wir haben leider keinen psychologischen Notdienst vor Ort der das abfangen könnte.
Gina: Ich kann mir vorstellen, dass beide an der ein oder anderen Stelle auch schmunzeln würden.

Ohne zu viel zu verraten: Was ist eure persönliche Lieblingsszene im Stück?
Gina: Eine meiner absoluten Lieblingsszenen ist eine er letzten. Wir, die Familie, nähern uns langsam aber sicher unserem gemeinsamen Ziel.
Leon: Jede Szene der Bundespräsidentin bringt mich immer zum Schmunzeln.
Moritz: Schwierig, davon gibt es tatsächlich eine ganze Menge. Rein spielerisch reizen mich besonders die Facetten und Austragungsebenen des Konfliktes zwischen Dust, dem Unternehmer, und Schmidt, dem Wissenschaftler. Als Zuschauer hat mich vor allem die Verbindung zwischen Darius, dem technikaffinen Sohn der Familie und der KI Eliza gecatcht, würde ich sagen.

Als Amateur-Theatergruppe seid ihr auf euch allein gestellt. Vom Schreiben des Regiebuchs, über die Proben, das Bühnenbild, Licht und Ton sowie die Bewerbung der Auftritte müsst ihr alles selbst organisieren. Wie schafft ihr das? Wie viele Menschen sind Teil eures Teams und macht das alles immer nur Spaß?
Leon: Ja, es macht zu 90 Prozent einfach Spaß!
Moritz: Mit viiiiiiiiiiieeeeeel Einsatz und Herzblut schaffen wir das. Im Kern sind wir aktuell 14 Leute, aber dahinter stehen noch viele, viele mehr. Von geduldigen Partner:innen und Familien, über treue Seelen, die uns seit Jahren finanziell oder mit ihrer Arbeit unterstützen, bis hin zu jeder Menge „ich kenne da wen, der oder die uns das besorgen könnte“. Ohne all die wundervollen Menschen wären wir mit unserem Hobby echt aufgeschmissen. Und ohne Publikum natürlich. Klar, ist das Ganze für uns alle auch mit viel Zeit und Arbeit verbunden und damit auch manchmal anstrengend. Aber bisher hat der Spaß noch immer überwogen und umso schöner ist es am Ende, das Ergebnis auf der Bühne zu sehen und einen für alle Beteiligten schönen und erfüllenden Theaterabend erleben zu können.
Gina: Im Prinzip sind wir alle Multitasking-Talente. Jede:r erledigt so ziemlich alle Aufgaben oder übernimmt zumindest einen minimalen Teil davon.
Angela: Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass wir diesmal als Regieteam, also Rafael Wolf und ich, gearbeitet haben. Anders wäre das für mich nicht mehr zu schaffen gewesen. Zudem haben wir diesmal sogar Assistentinnen am Start. Ohne die Unterstützung des Familien- und Jugendzentrums „Die Brücke Magdeburg“ wäre all das ebenso gar nicht möglich gewesen.

Was wollt ihr mit eurem Stück bei den Zuschauenden auslösen?
Leon: Nachhaltige Denkprozesse und Lachen!
Moritz: Spendenlust! Nein, Spaß. Das Schönste ist, wenn jede:r am Ende des Tages ein, zwei Gedanken mit nach Hause nimmt, die sie:ihn fasziniert oder bewegt haben. Welche genau das sind, ist nicht so wichtig, nur dass es sie gibt.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Termine

10. Juni 2023 – Premiere: „Das schöne Leben. Tropical Space Station“

11. Juni 2023 – Aufführung: „Das schöne Leben. Tropical Space Station“

17. Juni 2023 – Aufführung: „Das schöne Leben. Tropical Space Station“

18. Juni 2023 – Aufführung: „Das schöne Leben. Tropical Space Station“

Jeweils um 19 Uhr im Familien- und Jugendzentrum FaJu am Rennebogen 167 in 39130 Magdeburg

Kartenreservierung: 0176 43557046 (Michelle)