Die Liebe – ein Thema, über das wir wohl alle unsere eigenen Geschichten erzählen und ganze Theaterabende füllen könnten. Das Ensemble vom Verein theaterberührt hat genau das getan und bringt nun schon seit mehreren Jahren Magdeburgs größte Liebesgeschichten als Reality-Soap auf die Bühne. Ende Juli wird es ein Best-of vergangener Staffeln zu sehen geben. Wir haben bei Manuel Czerny, künstlerischer Leiter des Vereins, und der Gruppe nachgefragt, was da auf die Magdeburger:innen und alle Liebeshungrigen zukommt.

© Nilz Böhme

Zu Beginn: Wer seid ihr und was macht ihr?

Wir sind der gemeinnützige Verein theaterberührt. Wir sind Menschen mit Freude am Spielen, am Theater, am Theaterspielen, die sehr enthusiastisch einem Ziel folgen: Mit Love Stories aus Magdeburg zu zeigen, wie vielfältig unsere Stadt ist und dass der Blick auf Lebensweisen, die nicht der eigenen entsprechen, etwas bewegen kann. Wir performen deshalb unsere Bühnen-Soap „Liebestoll“ und reflektieren darin das Zwischenmenschliche in Magdeburg. Im Juli stellen wir uns mit dem Besten aus den bisherigen sechs Staffeln im Moritzhof vor.

Ein Blick in die Vergangenheit: An welche Momente aus den letzten Jahren erinnert ihr euch gerne zurück?

An die Aufregung vor der ersten Staffel von „Liebestoll“ und an die Freude bei der Premierenfeier danach, als uns die Gäste erzählt haben, dass sie unserem Konzept gerne folgen. Und auch an ein Treffen letztes Jahr, als wir gedacht haben, wir würden uns trennen – da liefen bei uns die Tränen. Unsere „Abschiedsfeier“, Gott sei Dank war es keine. Denn nach acht Jahren am Theater Magdeburg als „Bürger Ensemble Magdeburg“ haben wir uns getraut, den Verein theaterberührt zu gründen und uns selbstständig zu machen. Auch, weil wir gespürt haben, dass das Publikum emotionale Romanzen mit überraschenden Wendungen gut aufnimmt, also diese Mischung aus Unterhaltung und Tiefgang bei „Liebestoll“.

Woher nehmt ihr die Inspiration und die Geschichten für eure Aufführungen?

Es sind Geschichten, die das Leben schreibt. Vieles ist autobiografisch und wurde von uns selbst oder von Menschen aus unserem Umfeld erlebt. Es sind Geschichten aus der Stadt. Einige begegnen uns im Beruf, in der Presse, manche auch bei Gericht.

© Nilz Böhme

Was findet ihr am Format der Reality-Soap so spannend und wie lässt sich das auf der Bühne umsetzen?

Es spiegelt in unserer Version das wahre Leben wider, will dabei aber nicht weltkritisch sein, sondern die Perspektiven vieler Menschen neben einander stellen, ohne zu werten. Es gibt Raum, um Verbindungen zwischen Gegensätzlichem zu entdecken. Dadurch ist „Liebestoll“ auch immer fantasievoll. Wir sind keine Berufsschauspielenden, also bringen wir alles aus unserer Biografie, aus unseren Erfahrungen, aus unserem Erleben emotional auf die Bühne.

Wir geben die Geschichten in Episoden wieder. Im TV gibt es Kamera-Schnitte, bei uns geht ein Vorhang auf und zu, leitet eine Szene ein und beendet eine andere. So entstehen Schlaglichter. Wenn man von einer Story zur nächsten wechselt, steigert sich die Spannung. Wir bringen sieben Erzählungen in unserem „Best of“ unter, und jede hat ihre eigene Farbwelt, durch die sie klar erkennbar ist und mit kurzen Dialogen, Übergängen und Stimmungsbrüchen punktgenau umgesetzt werden kann.

Anders als in einer Fernseh-Seifenoper haben wir eine mythische Gestalt namens Amora erfunden, die alle Geschichten wie ein Engel der Liebe begleitet, moderiert und auch selbst ins Geschehen eingreift. Sie ist die personifizierte Sehnsucht aller Figuren.

Wie können wir uns den Prozess von der Idee über die Proben bis zur Premiere vorstellen?

Wir treffen uns zum Brainstorming, dann entscheiden wir uns zusammen für möglichst kontrastreiche Geschichten und alle suchen sich Rollen aus, die sie gerne verkörpern würden. Manuel Czerny fügt die Geschichten zu einem Skript zusammen, das wir in der Leseprobe kennenlernen. Dann arbeitet Manuel mit uns 10 Wochen lang als Regisseur, wir probieren die Szenen aus und können anhand des Skripts als Schauspielende das Material immer weiter formen.

Es gibt Proben, die nur eine Geschichte beinhalten (da wird an den Texten, an Songs und an Choreografien gefeilt), aber auch Proben, wo wir alles zusammenpacken. Dann gibt es Organisations-Proben nur für Übergänge und Umbauten zwischen den Episoden, einige Kostümproben und eine Endprobenwoche mit Ton und Beleuchtung. Hier ist auch erstmals Publikum dabei und wir entdecken, wie die Szenen wirken. Dazu gibt es Feedbackrunden nach jeder Probe. Wir haben immer Spaß dabei, vom rohen Gerüst einzelner Stories bis zu den Aufführungen alles weiterzuentwickeln.

© Nilz Böhme

Magdeburg – für euch eine Stadt der Liebe?

Auf den ersten Blick könnte man sagen: In Magdeburg wird oft eine Fresse gezogen. Dabei ist Magdeburg ja auch eine schöne Stadt, in die man sich verlieben kann, es gibt die Liebe „zum Verein“ und schon Otto hat seine Editha reich beschenkt mit dem Besitz von Magdeburg.

Wir erzählen aber auch brutale Geschichten, in denen Liebe umschlägt. Auch diese Nachtseite muss man zeigen, wenn man ein komplettes Bild zeichnen will. Für uns fühlt es sich manchmal so an, als würden wir die Liebesgeschichten anziehen, viele werden an uns herangetragen.

Jetzt geht es darum, die Menschen in Magdeburg, die von „Liebestoll“ erfahren, einzubeziehen – wenn sie ihre eigenen Erlebnisse auf der Bühne sichtbar machen, wird das Bewusstsein für das Liebevolle in Magdeburg noch größer, und darauf wollen wir hinaus. Wer selbst eine Love Story einreichen möchte, kann uns bei den Vorstellungen ansprechen oder uns schreiben.

Wie kam es zu der Entscheidung, in diesem Jahr ein Best-of aus den letzten Aufführungen zu spielen?

Wir wollten da anknüpfen, wo wir aufgehört haben. In den bisherigen sechs Staffeln haben wir über 40 liebestolle Erzählungen auf die Bühne gebracht. Unser Stammpublikum freut sich, einige liebgewonnene Figuren noch einmal zu erleben. Für alle, die uns noch nicht kennen, sind die ausgewählten Stories im Best-of ein guter Einstieg, weil sie die ganze Bandbreite von heutiger Schwärmerei über einen historischen Paukenschlag bis zu Liebesbegriffen abdecken, von denen man eher selten hört.

Worauf dürfen sich die Zuschauer:innen in diesem Jahr freuen?

Auf ein dynamisches Auf und Ab der Emotionen, auf viel Humor, auf die eine oder andere Gänsehaut in den düsteren Episoden und auf eine Begegnung mit den eigenen Hoffnungen und Träumen. Dafür werden Otto und Editha aus einer neuen Perspektive beleuchtet, wir widmen uns Polyamorie und „Bezness“ und erzählen auch von der Begegnung mit einem Star. Außerdem haben wir uns Souvenir-Artikel ausgedacht, mit denen man auch nach den Vorstellungen „Liebestoll“ bleibt.

© Nilz Böhme

Was plant ihr für das kommende Jahr?

Zwei weitere Staffeln voller neuer Love Stories mit Terminen im März und im November 2024 im Moritzhof – und man kann uns buchen, für Gastspiele, für romantische Acts und Interventionen auf Feiern und Events.

Zum Schluss ganz praktisch: Wann und wo spielt ihr und wo können Tickets erworben werden?

„Liebestoll – Das Beste aus 6 Staffeln“ zeigen wir am Samstag, dem 22. Juli um 15:30 und um 19:30 Uhr sowie am Sonntag, dem 23. Juli um 15:30 Uhr im Moritzhof. Tickets gibt es freitags zwischen 14 und 18 Uhr vor Ort oder jederzeit ganz bequem online unter theaterberuehrt.de/shop

Wir danken dem Ensemble für die Antworten und wünschen toi toi toi für die Premiere am 22. Juli sowie ganz viel Spaß auf und vor der Bühne!

© Nilz Böhme

Text: Tobias Bachmann