Foto: Nilz Böhme

Die Bühnenadaption von Alexander Kühne’s Roman „Düsterbusch City Lights“ ist farbenfroh, ausgeflippt, vollkommen erfüllt mit Musik und den Befindlichkeiten der DDR-Bürger*innen in den Achtzigern. Detailverliebt geht es um begehrte Geschenke aus dem Westen der Republik, bekannte Marken, die das Leben in der „Zone“ geprägt haben sowie die Schwierigkeit an Musik von David Bowie, Deep Purple oder Alice Cooper heranzukommen. Abgesehen vom DDR-Lebensgefühl werden aber auch Themen wie Freundschaft, Familie, Einsamkeit und Anderssein behandelt. Wie genial ist der Moment, wenn du jemandem begegnest, der deine Begeisterung mit dir teilt! In diesem Stück wird er oft greifbar. Die Protagonist*innen wollen sich nicht anpassen, sondern die Gesellschaft mit ihren Ideen bereichern.

Alle Charaktere sind wichtig, nicht nur für den musikalischen Raumklang, und werden von den Schauspieler*innen in lebendige Figuren verwandelt. Zentral ist dabei Anton (Daniel Klausner), der mit seiner Schrägheit nicht ins System passt. Er lädt uns als eine Art Conferencier zu seinem Leben ein. Der Blick in die Wohnungen der Provinz vermittelt dem Publikum einen Hauch von voyeuristischem Verhalten. Umso näher gehen einem die persönlichen Situationen zwischen den Akteur*innen.

Eine tragische Figur, die durch die Liebe zur Musik und die gemeinsame Kindheit mit Anton verbunden ist, heißt Sprenzel (Matthias Rheinheimer). Eine treue Seele, unterschätzt, aber eben immer da, wenn Anton ihn braucht. Ein bisschen mehr von der Welt hat Henryk (Ralph Opferkuch) gesehen und als gebürtiger Pole, darf der sogar nach Westberlin reisen. Als sich Anton und er das erste mal begegnen, kommt es zu einem magischen Moment auf der Bühne. Keine Ahnung, wie die beiden es schaffen wollen, aber dank ihrer Ideen wird etwas Großes in Düsterbusch entstehen und das Publikum ist live dabei auf dem Weg dorthin.

Im weiteren Verlauf des Stücks kommt es u.a. zur Begegnung mit Baade (Oliver Niemeier). Der ist Existentialist, eine ganz besondere Type und Besitzer eines Autos (Kein Trabi!). Sein Leben strotzt vor Dekadenz sowie Leidenschaft für Frauen, Alkohol und eben auch Musik. Außerdem erleben wir Carmen Steinert als Conny, die engelsgleich scheint, doch an sich selber und der Liebe zu Anton krankt, zweifelt und vielleicht auch zerbricht. Björn Jacobsen bezaubert als Alleinunterhalter „Pik As“ im Ärmel des Düsterbuscher Undergrounds, weiß aber auch als Abschnittsbevollmächtiger sowie Anton’s Vater in frühen Jahren zu überzeugen. Als genügsamer Kneipier mit Hang zum Hintergehen des Systems und väterlicher Freund ist Thomas Schneider in seinem Element. Iris Albrecht brilliert als liebevolle Mutter sowie in der Rolle der ausgeflippten Tante Klara aus dem Westen. Anton’s Mutter in jungen Jahren wird verkörpert von Antonia Sophie Schirmeister, die ebenso die prinzipientreue FDJ-lerin parodiert und das Publikum zum Lachen bringt. Marian Kindermann ist sowohl Querulant in der „Niete“ als auch cooler Musiker bei „Die Nörgler“ oder den „Rodeo Starters“, die sogar Sprenzel besser gefallen als Purple. Léa Wegmann rundet das Ensemble um weitere charmante Charaktere ab, die die Geschichte von Anton über die Dauer des Stückes mit tragen. Dabei wechseln die Schauspieler*innen ständig zwischen der Tätigkeit als Musiker*in und den Rollen die sie überzeugend verkörpern, auch wenn die Zeit zum Umkleiden nicht immer ausreicht für den perfekten Look.

Wir rebellieren nicht gegen das System, wir nehmen es einfach nicht zur Kenntnis.

Regisseurin Cornelia Crombholz nutzt die Bühne vollends aus und eröffnet durch die Arbeit mit Live-Projektionen (Kamera: Pierre Balazs) neue Räume. Die Wohnwürfel der Bewohner*innen von Düsterbusch spiegeln die Beengtheit der DDR-Verhältnisse wieder (Bühne: Christiane Hercher). Durch die dynamischen Kamerafahrten liefern sie aber auch die Hintergründe für das Leben und Streben in der Kleinstadt zwischen Dresden und Berlin. Jede Aufführung stellt eine technische Meisterleistung dar, da stets zwischen Kamera, Microports und dem realen Spiel auf der Bühne dirigiert werden muss.

Düsterbusch City Lights hinterlässt ein wohliges Kribbeln im ganzen Körper. Die Lieder verleiten zum Tanzen, weil die Schauspieler*innen nicht nur in einem Stück über Musik spielen, sondern die Begeisterung für das Thema bis zum Abschlusslied für’s Publikum spürbar machen (Musik: Maren Kessler, David Schwarz). Die Charaktere sind so vielfältig, dass für jede*n mindestens eine*r dabei ist, der bzw. die das Herz berührt. Nicht zuletzt überzeugt die Geschichte , weil es egal ist, was für Bedingungen herrschen, Träume können auf irgendeine Weise umgesetzt werden und wenn nicht, helfen sie uns zumindest, die Hoffnung nicht zu verlieren
(Dramaturgie: David Schliesing).