Miteinander ins Gespräch kommen und mit Empathie auf die Lebenswelt anderer Menschen sehen – das neue „präsent“ Magazin will dich dazu einladen über Gleichberechtigung, Privilegien und Feminismus nachzudenken! Wir haben mit der Ideengeberin und Herausgeberin Kristin Plumbohm über ihr Projekt gesprochen.
Magdeburg hat ein tolles neues Printmagazin, wer steht hinter diesem Projekt?
Kristin Plumbohm: Ich hatte die Idee dazu und hab dann mit verschiedenen Akteur*innen, Freund*innen und Bekannten darüber gesprochen, um nicht nur aus meiner Blase zu berichten, sondern möglichst schon ein diverseres Bild abbilden zu können. Ich bin beruflich bereits in dem Metier unterwegs und schreibe für den Magdeburger Familienverlag. Das Magazin jetzt ist aber aus privatem Engagement heraus entstanden, weil ich Lust hatte diese grobe Idee in meinem Kopf zu verwirklichen, die sich da breit machte. Es freut mich, dass schon in der ersten Ausgabe auch einige Texte, Bilder und Gedichte von Frauen aus der Stadt stammen, die einfach Lust darauf hatten, etwas aus ihrer Perspektive zu erzählen und mit an dem Projekt zu wirken. Das macht es für mich noch lebendiger. Dabei besteht nicht der Anspruch, dass alle Arbeiten einem selbst gefallen müssen, es soll auch hier Vielfalt gezeigt werden. Dass möchte ich in Zukunft unbedingt noch erweitern und freue mich da über Ideen und Menschen, die Lust haben mitzuwirken. Sei es mit eigenen Arbeiten oder Kontakten von Menschen, die unbedingt mal im Magazin auftauchen sollten. Außerdem kann ich mir gut vorstellen mit einem kleinen Team an der nächsten Ausgabe zu arbeiten und nicht alle Fäden in der Hand haben zu müssen. Eine Seite auf Instagram wäre zum Beispiel super, um kurzfristig Veranstaltungen teilen zu können. Das kann ich mit dem Magazin momentan nicht abdecken.
Im Vorwort der ersten Ausgabe schreibst du “es gab es im groben zwei Reaktionen: Begeisterte Zustimmung oder ein hörbares, sichtbares oder gefühltes Zusammenzucken bei dem Wort Feminismus.“ Welche Visionen hast du für ein Heft mit feministischem Anspruch?
Kristin: Ich persönlich lerne immer am meisten, wenn ich den Sorgen, Wünschen und Meinungen anderer erst einmal zuhöre und wirklich offen dafür bin ihre Geschichten auf mich wirken zu lassen. Diese Möglichkeit wollte ich auch durch das Magazin bieten. Gleichzeitig beleuchtet es das Thema Feminismus aus verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlichen Formaten. Ob in einer Diskussionsrunde, verpackt in ein Gedicht oder Essay, als Illustration oder Fotostrecke. All diese Texte erzählen wahrhaftige Geschichten von Frauen auf vielfältige Weise, zeigen aber auch wie facettenreich die Problemlagen sind. Es sollte ein authentischer Zugang zum Feminismus werden, der bei den Menschen im Alltag ansetzt und auf unterschiedliche Weise berührt. Ich denke über Emotionen lassen sich gute Denkanstöße geben.
Du hast dem Magazin den Untertitel “Ein Magazin für Menschen mit offenem Geist” gegeben. Hast du bewusst vermieden, es auf dem Titel bereits als feministisches Magazin zu outen bzw. was verbirgt sich hinter dem Zusatz?
Kristin: Na ja, der Grundgedanke des offenes Geistes stimmt schon und ist mir wichtig. Im Grunde hängt dieser Titel ja eng mit dem Feminismus zusammen. Das Magazin deckt für mich mehrere Aspekte ab. Es ist ein Magazin, was Frauen aus der Stadt zeigt, es soll eine Möglichkeit der Vernetzung bieten und es hat einen feministischen Charakter, einfach weil ich den grundsätzlich sehr wertvoll und wichtig finde. Über andere Menschen nachzudenken und ihre Perspektiven zu verstehen, dass ist, denke ich, ein wichtiger Schritt für ein besseres Miteinander und ein für mich sehr wichtiger feministischer Gedanke.
Das Heft ist im März 2021 erschienen. Wie lange hast du daran gearbeitet und wie hat es sich für dich angefühlt die erste Ausgabe in den Händen zu halten?
Kristin: Die Grundidee schwebte mir schon Anfang 2020 im Kopf herum, aber dann kam Corona und der Fokus verschob sich zunächst. Ende August 2020 habe ich in meiner Freizeit dann so wirklich mit der Arbeit begonnen. Einiges an Gesprächen mit Akteurinnen in der Stadt geführt und Schritt für Schritt Interviews vereinbart und tolle Leute mit an Bord geholt, die mich bei Illustrationen, beim Layout, bei Texten und Fotos, dem Webauftritt, und der Finanzierung unterstützt haben. Wochenlang habe ich auf die digitale Ausgabe gestarrt und Sachen angepasst, verschoben und abgeändert und sie dann endlich in den Druck gegeben. Danach war es für mich fast eine Umstellung, dass Magazin dann in gedruckter Variante zu sehen und ich musste mich erst mal daran gewöhnen. Wenn jetzt nicht der Teil der Vermarktung und Verteilung käme, würden meine Gedanken nämlich schon viel mehr um die Vorbereitung der Themen für die nächste Ausgabe kreisen. Aber was mich dann besonders erfreut hat, waren die vielen positiven Reaktionen auf das Magazin.
Kristin Plumbohm
© Katrin Freund
© Julika Skopinska
Wer das Projekt unterstützen möchte, kann dies mit einer Spende tun:
Konto: Volksbad Buckau c/o Frauenzentrum Courage
IBAN: DE37 8109 3274 0001 7046 05
BIC: GENODEF1MD1
Bank: Volksbank Magdeburg
Verwendungszweck: Magazin Präsent
Die Bandbreite der Themen im ersten 66 Seite schweren Heft ist groß: Von Geschlechterrollen in der katholischen Kirche, über lokale feministische Kunst bis zur Enttabuisierung der Vulva. Welche Inhalte sind noch zu erwarten?
Kristin: Ja, diese Bandbreite ist bewusst gewählt und soll auch so erhalten bleiben bzw. noch ausgebaut werden. Es darf politisch sein, es darf witzig sein, es darf aufklärend sein, es darf inspirierend sein… einfach weil das alles zu unserem Leben dazu gehört und spannend ist genauer zu betrachten. Nicht alle Interviews oder Themen, die ich schon gern in der ersten Ausgabe gehabt habe, haben es am Ende auch in das Heft geschafft. Ich könnte mir vorstellen, dass es in Zukunft noch etwas rebellischer wird, aber mal schauen wohin die Reise geht. Mir ist es wirklich, wirklich wichtig dabei möglichst viele Menschen zum Nachdenken zu bewegen. Das hat bei der ersten Ausgabe anscheinend schon ganz gut geklappt. Ich habe bisher auch schon einiges an positiven Rückmeldungen von Männern bekommen, die das Magazin angesprochen hat. Generell freut mich das sehr liebevolle Feedback, was mich zur Erstausgabe erreicht. Ich habe sehr gehofft, dass sich darin Menschen wiederfinden, aber dass die Resonanz darauf so herzlich ist, das hat mich dann doch richtig überrascht und happy gemacht. Eventuell wird es wirklich als ein Zeichen von „gesehen werden“ gedeutet, als ein Sprachrohr und eine Ermutigung, sich selbst zu äußern oder sich von anderen inspiriert zu fühlen. Ich werde mich dazu in den nächsten Tagen auf jeden Fall nochmal mit Leser*innen zusammensetzen und intensivere Gespräche führen
Feministische Medien stehen häufig einem Dilemma gegenüber: Redaktionen und Budgets sind klein, die Erwartungen der Leser*innen sowie die eigenen Ansprüche sind groß. Wie gehst du damit um?
Kristin: Als ich am Anfang viele Meinungen von außen dazu geholt habe, um mir erst mal einen Überblick zu verschaffen, spürte ich den Druck, den du eventuell meinst. Allerdings war mir zu dem Zeitpunkt auch schon klar, dass ich mich davon lösen muss und das Risiko eingehen muss, es nicht allen recht zu machen. Das ist ja eigentlich immer so. Ständig gibt es Entscheidungen zu treffen und die musste ich natürlich auch treffen. Gleichzeitig habe ich aber auch immer versucht, dafür offen zu bleiben neue Ideen aufzunehmen und ihnen Raum im Magazin zu geben. Was da grundsätzlich an Arbeit auf mich zukommt war mir schon grob klar, weil ich ja auch hauptberuflich damit zu tun habe.
Was wünscht du dir für feministischen Journalismus in Deutschland und speziell für Magdeburg?
Kristin: Klingt nach einer großen Frage. Ich versuche sie zu beantworten. Ich fände es gut, wenn der feministische Gedanke selbstredend in allen Medien eine Rolle spielen würde. Es ist, wie ich das auch im Magazin sage, natürlich eine große Herausforderung immer alle Menschen im Blick haben zu wollen. Aber der Versuch ist es Wert und im Zweifel kann man ja auch einfach miteinander ins Gespräch kommen und betroffene Menschen fragen, was es braucht. Mich gruselt es, wenn ich, wie letztens in der Volksstimme lese, dass der Chefredakteur persönlich das Gendersternchen abwählt und das mit so fadenscheinigen Begründungen, dass ich sie absolut nicht nachvollziehen kann. Da werden Ängste aufgebauscht, die es gar nicht geben müsste. Wenns bei solchen Kleinigkeiten schon scheitert, wie sollen wir dann bei den richtig großen Themen weiterkommen? Um all diese großen Ungerechtigkeiten anzugehen, wie Menschen mit Behinderung, die ständig nicht mitgedacht werden, den Rassismus, der tief verwurzelt ist, die völlig unhaltbaren Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen. Um nur ein paar Punkte zu nennen, die das Patriarchat mit sich bringt. Da stecken wir alle tief drin und können uns am besten gemeinsam wieder rausholen. Auch die Sprache ist dabei ein wichtiger Punkt und dafür muss ich keine redaktionelle Arbeit leisten, um das zu wissen. Es genügt mit anderen Menschen in Interaktion zu treten, um festzustellen, wie sehr Sprache uns beeinflusst, ob bewusst oder unbewusst.
Was ist heute möglich, was vor zehn Jahren nicht möglich gewesen wäre?
Kristin: Vieles, hoffe ich. 😀 Die sukzessive Weiterentwicklung jeder einzelnen Person führt im besten Fall ja auch dazu, dass sich viel bewegt. Ich weiß auf jeden Fall, dass ich es immer ganz großartig finde, was sich in so einem Zeitraum so alles dazulernen lässt. Ich bin sehr neugierig darauf, was noch kommt. Falls du auf die Gleichberechtigung anspielst, würde ich sagen, dass sexistische Äußerungen weniger akzeptiert sind, das auch gerade junge Frauen sich dazu weniger gefallen lassen und das die Vernetzung über Social Media da auch ein großer Pluspunkt ist, um schnell zu verstehen, dass du mit vielen Dingen eben nicht alleine bist und es andere Menschen auch darunter leiden.
Redaktion, Lektorat und Druck wollen bezahlt werden, wie finanziert sich das präsent Magazin und wie können dich Leser*innen unterstützen?
Kristin: Eine sehr wichtige Frage. ich habe die Finanzierung deutlich unterschätzt und das auf den letzten Drücker versucht zu regeln. Einen großen Teil der Ausgaben habe ich aktuell Eigenfinanziert. Ein gewisser Teil kommt vom Amt für Gleichstellungsfragen und ein nicht unerheblicher Teil basiert auf kostenfreien Zuarbeiten von Menschen im meinem Bekanntenkreis, die das Projekt super finden und mich mit ihren Fähigkeiten unterstützt haben. Vielen herzlichen Dank nochmal dafür!
Mir ist es auch sehr wichtig, dass das Magazin über die Website oder als Print-Variante kostenfrei zur Verfügung steht. Das würde ich gern beibehalten, aber dafür hoffe ich jetzt auch auf Spenden aus dem Leser*innenkreis oder auch Ideen für Fördertöpfe.
© Julika Skopinska
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